Zooloretto siegt ohne Knut: Die Jury versucht Transparenz
Das eigentlich Revolutionäre an der diesjährigen Spiel-des-Jahres-Prozedur ist die Veröffentlichung eines Protokolls der Jury-Sitzung. Der schweizerische Juror Tom Felber hat es geschrieben und auf spieldesjahres.de veröffentlicht. Namen werden selbstverständlich keine genannt und leider auch keine Spieletitel – trotzdem ist dies eine erhebliche Zunahme an Transparenz.
Dass die Jury keine Chance hat, an ZOOLORETTO vorbei zu kommen, hatte der Fairplay-Blog schon im April gemeldet . Allerdings wurde dort noch scherzhaft verlangt, den Panda vom Titelbild zu nehmen und stattdessen einen Eisbär auszuwählen. Im Gespräch mit dem Berliner Tagesspiegel, der ZOOLORETTO zum Thema der Wirtschaftsberichterstattung machte, gestand Joe Nikisch ein, dass das Titeltier eigentlich eine Fehlentscheidung sei. „Wir hatten auf dem Probetitel sogar einen Eisbären.“ Doch die Entscheidung sei noch vor der Knut-Euphorie gefallen, so Nikisch, dessen Kleinverlag die Auszeichnung überaus verdient hat. Die Abacusspiele gehören seit sehr vielen Jahren zu den rührigsten Spieleverlagen, und auch der Autor Michael Schacht ist schon lange nicht mehr aus der Szene wegzudenken.
Der rote Pöppel in Kombination mit dem populären Zoo-Thema: ZOOLORETTO wird sicherlich in sehr großer Auflage über die Ladentische gehen und sich an seinem Vorgänger messen lassen können. Knapp 400.000 Exemplare habe THURN UND TAXIS im letzten Jahr umgesetzt, schreibt die Frankfurter Rundschau, die ihre Spiel-des-Jahres-Berichterstattung ebenfalls an die Wirtschaftsredaktion delegiert hat.
Wo bleibt da das Kulturgut Spiel? Wird man sich in ein paar Jahren noch an ZOOLORETTO erinnern? Oder löst es dann nur noch ein müdes Gähnen aus? Dabei helfen weder die verkaufte Auflage noch ein nett lächelndes Tier auf dem Cover. Sondern das Spiel als solches muss gut sein. Wenn Jury-Sprecher Stefan Ducksch sagt, ZOOLORETTO schaffe den „Spagat zwischen einfachem Einstieg und strategischem Anspruch“, habe ich so meine Zweifel. Das Spiel hat nämlich weder einen besonders eingängigen Ablauf noch ist das spielerische Geschehen auffällig anspruchsvoll.
Aber: Welches der nominierten Spiele wäre sonst für den Hauptpreis in Frage gekommen? ARKADIA fehlt eine schöne Geschichte. JENSEITS VON THEBEN hat einen übermäßig frustrierenden Glücksfaktor und dauert etwas zu lange. YSPAHAN besitzt eine zu überladene Regel. Und DER DIEB VON BAGDAD ist kein wirklich gutes Spiel.
Außerhalb der Nominierungsliste wären DIE SÄULEN DER ERDE und WIKINGER in Frage gekommen. Obwohl SÄULEN DER ERDE eine umfangreiche Spielanleitung hat, ist das Ganze wegen der optimalen Umsetzung letztlich doch ein recht eingängiges Spiel. WIKINGER, ebenfalls eines der besten Spiele des Jahrgangs, hat wiederum einen anspruchsvollen Ablauf, der von der Thematik leider nicht besonders unterstützt wird.
NOTRE DAME, ein weiterer Favorit für den Deutschen Spiele Preis, kommt hingegen nicht so recht in Frage. Dazu ist das Spiel zu trist – auch wenn der Ablauf viele Spieler begeistern kann. „Der Spiele-Jahrgang 2007 ist ein ganz besonderer“, meint Ducksch. Da hat er wohl Recht. Bei der Abstimmung zum Deutschen Spiele Preis gibt es eine ganze Reihe von überaus guten Spielen, die einen Spitzenplatz verdient haben. Doch beim Spiel des Jahres ist wegen des selbst gesetzten Anspruchs, ein sehr breites Publikum erreichen zu wollen, von einem überdurchschnittlich guten Jahrgang nicht viel zu merken.
„Auch Spieler, die einen einfacheren Einstieg ohne lange Regellektüre wünschen, haben 2007 eine umfangreiche Auswahl“, sagt Stefan Ducksch. Mit dieser Aussage geht sicherlich nicht der Kulturgut-Anspruch des Spiels zu Grunde. Auch ich finde, dass ein WÜRFEL BINGO mit seiner fast selbsterklärenden Regel ein gutes Spiel ist. Wer glaubt, die Qualität eines Spiels am quantitativen Umfang der Anleitung messen zu können, irrt sich – in beiden Richtungen.
Aus der Fairplay Nr. 80