Fairplay: Hallo, ihr beiden! Stellt euch erst einmal vor!
MW: Mein Name ist Markus Widmer, ich bin gebürtiger Schweizer, lebe aber schon seit 20 Jahren in Wien. Mein allererster richtiger Job war beim Radio, und diese Liebe zum gesprochenen Wort zieht sich bis heute durch, ebenso wie mein wichtigstes Hobby, das Rollenspiel. Im Brotberuf entwickle ich digitales Marketing für einen Papierhersteller.
HE: Mein Name ist Harald Eckmüller, ich bin in Wien geboren und lebe schon immer hier. Gelernt habe ich Wirtschaftsinformatik, hatte aber schon immer die Interessen Design und Rollenspielen. Ersteres hab ich zum Beruf gemacht, zweiteres zu einem fast genauso zeitintensiven Hobby. Ich wollte schon lange einen Podcast machen, und als ich dann Markus getroffen habe war klar: Hier vereinen sich Interessen!
MW+HE: Seit vier Jahren produzieren wir den 3W6 Podcast – mittlerweile in der 6. Staffel. Wir bringen alle zwei Wochen eine Folge heraus, in deren Zentrum Erzählspiele stehen. Wir gehen dabei ziemlich in die Tiefe und stellen in mehreren Folgen Genre, Welt und Regeln eines Spiels vor. Wenn immer möglich laden wir auch die Designer*in ein.
FP: Erzählspiele? Was ist das?
MW: Ganz typisch für ein Erzählspiel ist, dass es niemand gewinnen kann. Das Ziel des Spiel ist es, gemeinsam in einem Gespräch am Tisch eine Geschichte zu entwickeln. Alle am Tisch sind dabei gleichzeitig Publikum, Darstellende und Autor*innen. Der Unterschied zum traditionellen Rollenspiel ist, dass im Erzählspiel der größte Teil der Regeln dazu da ist, die gemeinsame Erzählung voranzutreiben. Umgekehrt legen Rollenspiele mehr Gewicht auf Regeln für eine stimmige, umfassende und balancierte Simulation der Welt, insbesondere auch des Kampfs. Die Geschichte, die dabei herauskommt, kann sehr ähnlich sein – es sind einfach unterschiedliche Herangehensweisen.
FP: Warum gerade Erzählspiele?
MW: Wir beide interessieren uns sehr für das Thema Design, nicht nur im Rollenspiel. Dort stellt sich immer die Frage: Wie kann ich ein Problem auf die eleganteste Weise lösen oder eine positive Erfahrung mit möglichst wenigen Stolpersteinen hervorrufen? Und da passieren im Bereich Erzählspiele die spannendsten Dinge. Viele Erzählspiele versuchen das Grundkonzept neu zu denken.
HE: Erzählspielen wird gerne nachgesagt, dass sie sehr viele Metaebene haben und dass das manchmal vom immersiven Spiel abhält, aber es ist halt eine Frage, was man haben will. Geschichten, die sich rund anfühlen, die Anfang, Mitte und Ende haben, bei denen die Charaktere tatsächlich zentral sind, bei denen ich selbst in Szenen, in denen ich nur zusehe, gebannt jedem Wort lausche — das sind alles Dinge, die ich in Rollenspielen nur selten und in Erzählspielen jedes einzelne Mal erlebt habe.
FP: Seht ihr einen Zusammenhang zu Gesellschaftsspielen?
MW: Da gibt es spätestens seit dem Kartenspiel ES WAR EINMAL große Überschneidungen. Erzählspieldesigner*innen entdecken die Haptik von Karten und Spielbrettern, zum Beispiel im Fall von ZOMBIE WORLD, FOR THE QUEEN oder der 2. Edition von FIASCO. Umgekehrt sieht man große Erzählspieleinflüsse bei Legacy-Spielen, T.I.M.E. STORIES oder Escape-Room-Spielen. Es ist spannend anzusehen, wie zum Beispiel das Thema der romantischen Liebesgeschichte von der Brettspielseite mit FOG OF LOVE oder von der Erzählspielseite mit STAR CROSSED angegangen wird.
HE: Wir leben in einer Zeit, wo sowohl Gesellschafts- als auch Erzählspiele einen riesigen Boom erleben. Plattformen wie Kickstarter und Twitch, günstige Produktionen von Kleinstserien, und hochqualitative Geschichten in allen Medien — von Computerspielen bis zu Netflix — machen die Leute neugierig auf Spiele aller Art, die mehr Geschichte als MENSCH ÄRGERE DICH NICHT haben. Da tut sich viel spannendes, wie z.B. gerade auf Kickstarter ZineQuest 2, bei dem Kickstarter einen Monat lang experimentelle und kleinformatige Indie-Rollenspiele promotet, damit mehr ungewöhnliche Ideen auf den Markt kommen.
FP: Vielen Dank für das Interview! Wir hören uns auf www.3w6.fm
Das Interview für Fairplay führte Marcus Eibrink-Lunzenauer