Möge der Schnellste gewinnen
Spielen ist durchaus ein Hobby für Faule. Alle setzen sich abends an den Tisch, Getränke und Knabberzeug neben sich. Und dann rührt sich niemand die nächsten drei bis fünf Stunden mehr vom Fleck. Ein FAULTIER steckt doch in jedem von uns, deshalb konnte ich auf der SPIEL 2019 der Neuheit von 2F-Spiele nicht widerstehen.
Mir fällt zunächst das riesige, doppelseitig bedruckte Spielbrett ins Auge, das mit verschiedenen sechseckigen Landschaften aufwartet. Es gibt einen langen Fluss, es gibt Hügel, Wälder, Berge und Wiesen. Hier platzieren wir unsere niedlichen kleinen Faultier-Holzfiguren auf einem beliebigen der neun Baumfelder. Wir machen in diesem Spiel nichts lieber, als faul dort rumzuhängen und Blätter zu mampfen. Dummerweise hängt in jedem Baum nur ein Blatt unserer Spielfarbe, auch wunderschön aus Holz. Wir wollen sieben weitere einsammeln, um satt zu werden. Doch sind wir zu faul, um uns alleine von Baum zu Baum zu bewegen. Genau genommen bewegen wir uns gar nicht. Wie gut, dass wir uns hier anderer, gutmütiger Tiere bedienen können. Wir müssen sie nur zu unserem Standort pfeifen, uns auf ihren Rücken setzen und ab geht die Post. Denn trotz aller Faulheit ist das hier ein Rennspiel, bei dem wir fix sein müssen und keinen Zug verschenken dürfen. Die Spielergebnisse sind nämlich meistens sehr knapp.
„Die sehr gelungene Grafik von Harald Lieske tut ihr Übriges, uns in eine niedlich anmutende Faultier-Welt zu entführen.“
Zwölf verschiedene Tierarten gibt es, sechs davon kommen in jeder Partie zum Einsatz. Jedes Tier bringt einen Satz Holzscheiben in unterschiedlicher Anzahl mit, so gibt es z.B. drei Esel und zehn Ameisen. Diese werden auf dem Spielplan platziert, möglichst so, dass sie eine schnelle Reise von Baum zu Baum erlauben. Für die Erstpartie empfiehlt sich auf jeden Fall die in der Anleitung vorgegebene Startaufstellung mit Esel, Einhorn, Krokodil, Adler, Elefant und Ameise. Später kann man dann andere Tier- und andere Spielplankombinationen wählen.
Zu jeder Tierart gibt es noch einen Satz von Karten. Darauf sind Zahlen zu sehen, welche die Zugweite des Tieres angeben sowie besondere Fähigkeiten. Und natürlich auch, auf welchen Landschaften sie ziehen und stehen dürfen. Zunächst liegen die Karten mit den niedrigen Bewegungspunkten oben.
Zu Beginn meines Zuges ziehe ich Karten verschiedener Tierarten nach. Mein Spieltableau zeigt je nach Anzahl der bereits gewonnen Blätter, wie viele Karten ich nachziehen darf oder sogar ablegen muss. Danach darf ich beliebig viele Karten einer Tierart ausspielen. Dieses Tier nimmt mich dann mit. So pfeife ich mir als erstes den Esel heran und springe im Waldgebiet auf seinen Rücken. Er trägt mich durch Wiesen und Hügel, aber als wir an der Brücke über den Fluss stehen, weigert er sich hinüber zu gehen. Ich muss bis zur nächsten Runde auf diesem ungemütlichen Stück Holz warten, denn auf ein anderes Tier umsteigen darf ich in diesem Zug noch nicht. Die ausgespielten Karten kommen unter den Stapel. Dadurch kommen nach und nach Karten mit höheren Bewegungspunkten ins Spiel. Jetzt prüfe ich noch mein Handkartenlimit, das ebenfalls im Spielverlauf sinkt, je mehr Blätter ich von den Bäumen rupfe.
Meine Mitspieler sind an der Reihe, und als ich wieder dran bin, stelle ich zu meiner Verzweiflung fest, dass das Einhorn, das mich von der Brücke mitnehmen sollte, mit einem anderen Faultier in die Berge verschwunden ist. Also Planänderung! Das Krokodil in Reichweite könnte mich durch den Fluss tragen, außerdem ist es schnell. Aber dann lande ich irgendwo, wo keine anderen Tiere für den Weitertransport sorgen könnten. Für den Adler, der wie ein Taxi zu mir geflogen käme, habe ich nicht die geforderten sechs Bewegungspunkte auf der Hand. Die braucht es, damit er sich überhaupt auf den Weg macht.
Die Ameisen würden mir helfen, ich könnte mit ihnen eine Straße bilden und über sie drüber hüpfen. Sie können mich zwar auf der trockenen Brücke einsammeln, sind aber ansonsten wasserscheu. So komme ich nicht durch den Fluss. Jetzt fällt mein Blick auf den Elefanten. Meine Mitspieler haben schon Elefantenkarten genommen, so dass ein hoher Wert ausliegt. Das ist in diesem speziellen Fall auch wichtig, denn der Elefant ist langsam und geht grundsätzlich einen Schritt weniger, als die Summe der ausgespielten Bewegungspunkte. Dafür kann er mich mit seinem Rüssel bis zu drei Felder weit werfen. Und so watet der Elefant mit mir auf dem Rücken durch den Fluss und wandert über die Wiese, um mich dann über den Wald hinweg ans Ziel meiner Faultierträume zu werfen.
FAULTIER mag wie ein einfaches Rennspiel daher kommen. Die Zugmechanismen sind denkbar einfach. Thema und die sehr gelungene Grafik von Harald Lieske tun ihr Übriges, uns in eine niedlich anmutende Faultier-Welt zu entführen. Doch das Spiel ist nicht trivial. Es gilt stets den Überblick zu behalten, welche Tiere gerade wo sind. Auch die ausliegenden Kartenwerte sind zu beachten. Meine Züge muss ich variabel planen, damit ich auf Veränderungen reagieren kann. Oft genug muss ich ganz plötzlich andere Wege einschlagen. Wichtig ist es auch, die Sonderfähigkeiten der Tiere immer zu berücksichtigen. Dass der Elefant durchs Wasser waten kann, haben wir in unserer ersten Partie glatt übersehen. Ein guter Überblick über den Spielplan ist ebenfalls sehr wichtig: Wo stehen welche Tiere? Welche Möglichkeiten habe ich?
Klar, FAULTIER ist kein großer Strategieklopper, aber ich mag es durchaus gern. Es ist unterhaltsam und spielt sich flott. Ideal ist die Viererbesetzung. Die Regeln sind klar und eingängig. Im Spiel sind zudem noch Orang-Utans, Hasen, Giraffen, Bergziegen, Delfine und sogar Menschen. Die Kombinationsmöglichkeiten von Tierarten und zweiteiligem doppelseitig benutzbarem Spielbrett halten das Spiel über einen langen Zeitraum variabel. FAULTIER läuft absolut rund und bietet in jeder Partie genug Abwechslung, um immer mal wieder auf den Spieltisch getragen zu werden.
Sabine Wiele
Friedemann Friese: FAULTIER für 2 bis 5 Spieler mit Illustrationen von Harald Lieske bei 2F-Spiele 2019, Spieldauer ca. 60 Minuten