CHALLENGERS! ist das Kennerspiel des Jahres 2023. In der Fairplay Nr. 142 (Winter 2022) schreibt Marcus zu diesem ungewöhnlichen Spiel:
The Fast and the Hilarious
Gibt es eine andere Essen-Neuheit, bei der die Meinungen so meilenweit auseinandergehen wie bei CHALLENGERS!? Für die einen reines Glücksspiel, für die anderen Glück beim Spielen und ein großer Spaß. Die Rückkehr des Autoquartetts reduziert auf nur eine Kenngröße und für die große Runde. Ein Turnier, bei dem alle gegeneinander antreten und nur das beste Team im großen Showdown gewinnt.
Aus der Gaming-Welt haben die beiden Autoren ein (nicht mehr) neues Genre in die analoge Welt verschleppt: Auto-Battler. Das sind Strategiespiele, bei denen wir Teams zusammenstellen, die dann in Turnieren gegeneinander antreten und bei denen die Kämpfe automatisch ablaufen und wir „nur“ dabei zusehen.
Wie diese Duelle ablaufen, ist der Grund, warum CHALLENGERS! so polarisiert. In der analogen Version ist mein Team nichts anderes als ein Kartendeck von unterschiedlich schlagkräftigen wie illustren Charakteren: Clowns, Vampirinnen, Visagisten … Mein Team und ich (Wir sind natürlich die Guten!) treten siebenmal gegen ein anderes Team eine Bande zerlumpter Gestalten an (So, wie die aussehen, garantiert nicht die Guten!). Mein Gegenüber und ich mischen jeweils unsere Karten. Das Startteam ist in Fahnenbesitz und deckt die oberste Karte auf. Anders als bei Supertrumpf habe ich nicht die Wahl zwischen Zylindern oder PS. Nein, jede Karte hat einfach eine Basisstärke. Das andere Team möchte die Fahne erbeuten und deckt deshalb so lange Karten auf, bis die Summe ihrer Basisstärken mindestens gleichzieht. So geht das hin und her, bis eines der Teams (meins natürlich) nicht mehr übertroffen wird und den Rundenpokal erringt. Mit diesem gewinne ich auch eine Menge Fans. Sobald wir in sieben Runden gegen alle anderen gespielt haben, dürfen die beiden Teams mit den größten Fanclubs noch ein finales Match austragen. Dann steht fest, welches Team das Beste ist.
Johannes Krenner und Markus Slawitscheck: CHALLENGERS! für 1 – 8 Personen ab 8 Jahren mit Illustration von Jeff Harvey bei 1 More Time Games 2022, Spieldauer 45 Minuten, Made in China
Viel hilft viel, oder?
Ja, aber Moment, wann stehe ich mal am Steuerrad und schau nicht einfach nur begeistert (oder entgeistert?) zu, wie mein Team mit dem anderen den Boden aufwischt? Das findet in der Deckbauphase vor den Duellen statt und geht nur mit meinem persönlichen Turnierplan. Auf dem steht nicht nur, gegen wen ich in der nächsten Runde antrete, sondern auch, von welchem der drei immer stärker werdenden Stapel ich ein bis zwei Charaktere draften kann. Zwei von Stapel A bedeutet zum Beispiel: Ich ziehe fünf Karten von Stapel A und nehme zwei Karten. Wenn ich zocken will, wähle ich aber nur eine oder sogar keine und zieh noch einmal fünf Karten, muss mich dann aber entscheiden. Viele der Karten haben neben ihrem Stärkewert auch einen Karteneffekt, so dass ich nicht generell einfach nur die Muskelprotze nehmen müsste. Hah, denken Sie bestimmt, dann hab ich also doch mehr Kontrolle während des Duells? Aber nein, nur wenige dieser Effekte verlangen Entscheidungen von uns. Das Ding heißt ja nicht ohne Grund Auto-Battler!
Hinterher darf ich beliebig viele Charaktere aus meinem Deck verabschieden. Aber warum sollte ich das tun? Viel hilft viel, oder? Im Duell wechselt die Fahne mehrfach von einem zum anderen Team. Die Karten, die bisher in Fahnenbesitz waren, gehen auf die „Bank“, und die hat nur sechs Plätze frei. Findet meine geschlagene Karte dort keinen Platz mehr, verliert mein Team das Duell auch so. Zum Glück teilen sich all meine Aliens oder all meine U-Boote einen Sitzplatz, aber trotzdem: Wenn ich zu viele verschiedene Charaktere im Deck hab, geht das nach hinten los.
Keine Zeit zum Grübeln
Weil alle Duelle parallel ausgetragen werden, spielt sich das Spiel immer gleich flott, ganz unabhängig davon, wie groß die Runde ist. Mal was anderes als Quizzes, Roll & Writes oder Deduktionsspiele, die wir sonst in Achterrunden spielen können. Wer sich auf CHALLENGERS! einlassen kann, hat Spaß, weil wir in den automatischen Duellen um die Pokale kämpfen, während wir unsere Teams anfeuern, aufstöhnen, weil die Karten in der falschen Reihenfolge kommen, weil wir ungestört in diese Rolle der Kontrahenten schlüpfen können. Keine Zeit zum großen Grübeln, lieber Zeit für mehr Jux.
Spielen Sie CHALLENGERS! einige Male! Dann sehen Sie schon, dass es hier nicht nur um Zufall geht. In Runde 7 habe ich neben meinen sechs Startkarten doch bis zu 14 weitere ausgewählt und teilweise schon verabschiedet. Sicherlich haben viele Zufallsfaktoren beim Deckbau eine Rolle gespielt, aber sehr viel mehr meine eigenen Entscheidungen. Wenn bestimmte Mitspieler*innen häufig vorne mit dabei sind, dann ist das Glück kein Zufall. Immer Glück ist Können.
Wie das Auto-Battler-Genre bei CHALLENGERS! mit wenigen aber geschickten Handgriffen in ein Kartenspiel verwandelt wird, das ist eindrucksvoll. Und auch, wie geschickt die Mischung von Glück und Können justiert ist: Gerade so viel Glück, dass es nicht beliebig wird, gerade so viel Können, dass es nicht zum Grübeln verleitet. Stelle ich mir vor, dass mein Deck nicht gemischt, sondern von mir vorsortiert werden dürfte, dann wäre das eigentlich schnelle Turnierspiel nur im Schneckentempo unterwegs.
CHALLENGERS! können wir auch zu zweit oder solo spielen. Das ist auch nicht uninteressant. Aber auf Hochtouren läuft das Maschinchen nur mit vielen Menschen. Wenn Sie sich darauf einlassen möchten, bekommen sie ein einzigartiges Erlebnis mit Minimaldeckbau und ansteckendem Gelächter.
Marcus Eibrink-Lunzenauer
Drei Fragen an die Autoren und Verleger (im Winter 2022)
Fairplay Reines Glücksspiel? Wie viel Können brauch ich für CHALLENGERS!? Bingo oder Poker?
Julian Steindorfer Wer so oft gegen die Autoren verloren hat wie ich, glaubt nicht mehr an Glück!
Markus Slawitschek Bei CHALLENGERS! gibt es garantiert viel Emotionen, gepaart mit taktischen Entscheidungen.
Roman Rybiczka Man kann in CHALLENGERS! viele falsche Entscheidungen treffen, ohne Fortuna ins Spiel zu bringen.
Johannes Krenner CHALLENGERS! ist 70% Können und 40% Pech.
FP Naheliegendste Frage: Eure Lieblingskarte?
<Anita Landgraf von der White Castle Games Agency ruft aus dem Off: „GUMMIENTE!“>
MS Necromancer- die Karte macht super viel Spaß, ist sehr thematisch und das Artwork von Jeff Harvey die Krönung!
JK Jede Karte hat natürlich ihre Berechtigung. Neben den vielen Build-around-Karten, schätze ich vor allem die Kontrolle, welche die Matrosin bietet.
RR Ein Illusionist als erste Karte, die in Fahnenbesitz kommt!
JS Eremit, weil wir alle mehr Zeit in der Natur verbringen sollten.
FP Aus der digitalen Welt (Auto-Battler) in die analoge… Wann kommt die CHALLENGERS!-App, wann kommt die BoardGameArena-Umsetzung?
JK Ich durfte die Alpha-Version der BGA-Umsetzung schon anspielen. Damit bin ich ganze Wochenenden gegen die schwierigste Stufe des Solomodus angetreten.
MS Ich bin seit über 3 Jahren ein großer Auto-Battler Fan. Dieses Weihnachten kann ich dieses tolle Spielgefühl zusammen mit meiner Familie am Tisch genießen.
JS Natürlich träumen auch wir von einer CHALLENGERS! App, aber erstmal konzentrieren wir uns darauf [von 1 More Time Games zensiert] zu entwickeln.
RR Lang dauert es sicher nicht mehr, bis man es auf BGA spielen kann, aber am realen Tisch spürst du die Turnierstimmung besonders!
Dieser Text erschien in der 142. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit: Abonnieren Sie das gedruckte Magazin oder bestellen Sie das einzelne Heft.