Rezension
Handelsduell im hohen Norden
Ich will ehrlich sein: Ich hatte keine Ahnung, wo die Lofoten liegen. Die Inseln vor der Küste Nordnorwegens sind in LOFOTEN der Startplatz für unseren Handel mit Fischen, Schafen, Met und Gold. Denn obwohl wir die Leitung je eines Wikingerclans übernehmen, bereichern wir uns in diesem Zwei-Personen-Spiel nicht durch Kampf und Plündern, sondern wollen mit friedlichen Mitteln zum neuen Jarl der Lofoten, zum Clanfürst der Inseln aufsteigen.
Sébastien Dujardin: LOFOTEN für 2 Personen ab 12 Jahren mit Illustration von Luis Francisco und Weberson Santiago bei Pearl Games 2023, Spieldauer 40 – 45 Minuten, Made in Poland
Im Spiel ist der Handel eher ein Einsammeln. Dabei müssen wir schnell sein, denn unser Gegenüber ist es auch. Jeder von uns hat ein achteckiges Flottentableau mit Schiffen auf vier Seiten. Durch das Drehen in 90-Grad-Schritten und das Verschieben des Tableaus, beladen wir unsere Schiffe mit Waren eines zwischen uns liegenden Stegs. Zuvor müssen wir aber eine Karte mit der passenden Ware unter einem unserer Schiffe platziert haben, damit es auch die richtigen Waren nach Hause bringt. Das klingt einfach, will aber wohl überlegt sein. Denn wir haben in jeder Runde genau drei Karten auf der Hand, deren Position wir nicht verändern dürfen.
Spielen wir die linke oder rechte Karte, dürfen wir unser Tableau in die entsprechende Richtung verschieben oder drehen. Unter eins unserer Schiffe dürfen wir hingegen nur die mittlere Karte schieben und auch nur in das Feld, das zu uns gewandt ist. Außerdem dürfen wir in diesem Moment eine Bonusaktion ausführen: Bewegungen, das Zerstören von Plättchen oder neue Goldmünzen, mit denen wir uns Vorteile erkaufen können. Besonders bei den Drehbewegungen des Tableaus kam es in unseren ersten Partien noch zu Fehlern, trotz der großen Pfeile auf dem Steg. Nach ein bis zwei Duellen hatten wir uns aber daran gewöhnt.
Sehr gut gefällt mir, dass auch das Nachziehen von Karten und das Nachfüllen freigewordener Plätze für die Warenplättchen auf dem Steg elementarer Bestandteil der eigenen Taktik sind. Denn durch das Platzieren der nachgezogenen Karte auf meiner Hand und die damit beeinflussbare Anordnung, treffe ich eine zentrale Entscheidung für meinen nächsten und vielleicht auch den übernächsten Zug. Weil ich beim Auffüllen der Warenplättchen außerdem die Wahl zwischen zwei Stapeln habe und durch die unterschiedlich gestalteten Rückseiten der Plättchen bereits sehe, welche Sorten ich zur Auswahl habe, kann ich auch hierbei sowohl die eigenen, als auch die Möglichkeiten des Gegenübers ein Stück weit beeinflussen.
Haben wir die Waren schließlich eingesammelt und durch das Drehen des Tableaus früher oder später auch abgeliefert, weisen wir sie einem von vier Lagerhäusern zu. Diese Lager, dargestellt durch große Karten, teilen sich die beiden Clans. Sie definieren, wie wir durch die eingelagerten Waren Siegpunkte erhalten. Während es im Grundspiel auf jeder der vier Karten um einfache Mehrheiten geht (wer am Schluss die wertvolleren Waren eingelagert hat, erhält X Siegpunkte), erhalten wir mit weiteren Karten aus einem Erweiterungsmodul neue Lagerhauskarten und damit eine sehr wohltuende Vielfalt.
Da kommt es dann zum Beispiel darauf an, welche Ware wir einlagern, oder die Zahl der Punkte ergibt sich erst aus der Zahl der Warenplättchen im Lagerhaus. Außerdem gibt es Lagerhäuser die nicht nur einen, sondern beide Spielenden für ihre Waren entlohnen. Das schafft nicht nur Abwechslung, sondern macht es auch schwerer, den Ausgang schon vor dem Ende vorherzusagen.
Zwei weitere Module verändern das Spiel noch einmal durch sehr mächtige Vorteile, die wir uns auf verschiedene Arten erarbeiten können. Das gefällt mir persönlich etwas weniger gut. Aber das ist das Schöne an Modulen: Dann nehme ich sie eben nicht dazu. Und wenn ich mit meinem zehnjährigen Sohn spielen möchte, lasse ich auch die komplexeren Lagerhäuser weg, um das Spiel so einfach wie möglich zu halten.
LOFOTEN fühlt sich neu und unverbraucht an. Das letztlich abstrakte, aber mit tollen Illustrationen von Weberson Santiago gestaltete Spiel, überzeugt mich besonders in der Variante mit den komplexen Lagerhauskarten. Um das Handelsduell der Wikinger zu gewinnen, müssen wir unser Gegenüber im Blick behalten, die eigene Hand gut managen und an den richtigen Stellen Vorteile ausnutzen. Dabei sind die Regeln im Grundspiel weit weniger komplex, als die Altersangabe „ab 12 Jahren“ vermuten lässt. Dennoch bietet LOFOTEN alles, was ein gutes Spiel für zwei braucht. Und dazu zählt trotz des vermeintlich friedlichen Handels auch eine gute Portion Konflikt – wie sich das für das Klischee vom Wikinger gehört.
Christoph Sachs
Dieser Text erschien in der 144. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit: Abonnieren Sie das gedruckte Magazin oder bestellen Sie das einzelne Heft.