Das Fairplay Magazin ist ein Print-Magazin und gibt es natürlich nur auf Papier. Das macht es schwierig für alle, die wissen wollen, ob die Fairplay etwas für sie ist. Deshalb veröffentlichen wir jede Woche ausgewählte Artikel aus älteren Ausgaben zum Reinlesen. Das Rascheln der Seiten und überhaupt die ganze Haptik kommt dabei natürlich zu kurz, aber trotzdem: Viel Spaß beim Lesen!
Schützt die Schätze!
Monster des Dungeons vereinigt euch und schützt eure Schätze und vor allem eure Schatzkammer gemeinsam gegen die von außen eindringenden Helden! Der Auftrag in diesem kooperativen Spiel von Luis Brüeh ist klar, aber um es vorweg zu nehmen: Es ist keine leichte Aufgabe, die uns hier erwartet! Zu groß ist die Gier der Helden, zu verlockend das glitzernde Gold – und so brechen die Helden immer und immer wieder in unser Verlies ein. Sie töten Monster, inspirieren sich gegenseitig und es gelingt ihnen immer wieder, einige der im Verlies gelagerten Schätze an sich zu reißen. Und wir merken beim Spielen bald: So niedlich das Spiel auch in seiner Aufmachung daher kommt, so knallhart ist es. Und es ist kein leichter Weg, um am Schluss als Sieger aus der Partie zu gehen.
Aber der Reihe nach. Vor dem Spielen steht der Spielaufbau. Und hier heißt es erst einmal, Entscheidungen zu treffen. Uns stehen insgesamt 20 Szenarien zur Verfügung, die jeweils einen eigenen Verlies-Aufbau beinhalten. Wir erstellen dieses mit bis zu zwölf quadratischen Raumkarten. Neben der Schatzkammer und einem Gefängnis kann unser Verlies zum Beispiel noch eine Bibliothek, eine Gruft oder eine Hexenküche beinhalten. Im Anfangsszenario sind noch alle Räume miteinander verbunden, so dass es ein Leichtes ist, von A nach B zu kommen. Aber bereits im zweiten Szenario müssen wir, um von der Bibliothek in den darüber liegenden Raum zu gelangen, einen Umweg über zwei andere Räume gehen.
Ist das Verlies erstellt, heißt es zu überlegen, mit welchen Monstern wir die Helden abwehren wollen. Und diese Auswahl ist nicht zu unterschätzen, sei es, ob wir solo, zu zweit, zu dritt oder gar zu viert spielen. Es gibt insgesamt neun verschiedene Monsterclans, die mit ein (Drache) bis neun (Ratten) Spielfiguren bestückt sind. Und allzu gerne ist man bereit, den Clan zu wählen, der einem am niedlichsten erscheint, was dann gerne mal nach hinten losgehen kann, wenn die Clans nicht genügend austariert sind. Grob zusammengefasst gibt es drei Clans, die im Angriff top sind, drei Clans, die ihre Stärke in der Verteidigung haben und drei Clans, die gut die anderen unterstützen können. Habe ich nur drei Clans der letzten Kategorie im Spiel, dann … wird es zumindest um einiges schwieriger, gegen die Helden anzukommen.
Vier verschiedene Helden gilt es übrigens abzuwehren: Wir bekommen es im Spiel mit Magiern, Schurkinnen, Kriegern und Bogenschützinnen zu tun. Und als ob das nicht schon genug wäre, werden vor Beginn noch zusätzliche Szenariokarten mit in den Heldenstapel gemischt. Im ersten Szenario, dem Hexenkessel, sind das zwei Hexenkarten, die noch einen relativ harmlosen Effekt haben. Im zweiten Szenario, „Ab mit den Köpfen“, sind es aber bereits vier Scharfrichterkarten, deren Effekt schon nicht mehr ganz so locker abgehandelt werden kann.
Und dann kann es losgehen. Jeder Clan hat zu Beginn einen Kartenstapel mit zehn Karten, davon nehmen wir fünf Karten auf die Hand, die restlichen fünf bilden den Nachziehstapel. Ich kann, wenn ich an der Reihe bin, so viele Handkarten ausspielen wie ich möchte und ziehe am Ende des Zuges wieder auf fünf Handkarten nach. Die Aktionsmöglichkeiten variieren je nach Clan, können aber grob in drei Kategorien eingeteilt werden: Bewegen (ins/im Verlies), Kämpfen (Angriff/Verteidigung) und das Aktivieren von verschiedenen Dingen oder Fähigkeiten. Jeder Clan hat auch eine bestimmte Sonderfähigkeit, die auf diese Weise aktiviert wird. Zudem können Fallen aktiviert, Portale geöffnet, Ressourcen in Räumen gefunden und in bessere Gegenstände umgewandelt werden. Letztere nehmen wir als Handkarten auf die Hand, so dass wir unser Deck nach und nach vergrößern und verbessern.
Und dann geht es rund. Nach jeder Aktionsrunde eines Spielers versuchen – je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad und Zeitpunkt im Spiel – ein bis drei Heldengruppen à zwei Helden in das Verlies ein- und zur Schatzkammer vorzudringen. Die Symbole auf den Karten geben dabei vor, in welche Räume sie eindringen. Beginnend mit der Spezialfähigkeit der eindringenden Heldengruppe erfolgt die Heldeninvasion je nach „Fallkonstellation“ in verschiedener Länge und Schwere. Diese Abhandlung ist am Anfang ziemlich mühsam, aber Hilfe bietet der auf der Rückseite des Verliesführers aufgedruckte Ablaufplan: Ist eine Falle im Raum? Super, der Held tappt rein, verletzt sich und ist in der Regel tot. Sind schon andere Helden im Raum? Mist, statt mit einem Helden müssen wir es plötzlich mit dreien aufnehmen. Gibt es Monster im Raum? Ja, wen opfern wir oder können diese sich verteidigen? Glück gehabt! Gibt es Schätze zu plündern? Unsere schöne Schatztruhe, dahin. Wenn ja, was hat die Plünderung für Auswirkungen? Wir sind verflucht und müssen alle eine Karte abgeben. Okay, es hätte schlimmer kommen können. Oh Mist, da sind noch Helden nicht erschöpft, die weiter in Richtung Schatzkammer stürmen. Ist eine Falle im Raum? Nein! Sind schon andere Helden im Raum? Mist, da wird ein weiterer Held inspiriert. Gibt es Monster im Raum? …
Erst wenn alle Helden, die durch das Hereindringen eines Helden tätig werden können, tot oder erschöpft sind – sei es durch Angriffe oder Plünderungen – ist die Invasionsphase zu Ende. Das kann, wenn wir Glück haben, mit der ersten Falle im Raum der Fall sein, kann sich aber gerade zum Ende des Spiels hin zu einer unkontrollierbaren Lawine ausbreiten. Und wie froh sind wir plötzlich, dass wir den scheinbar unbesiegbaren und sich stetig vermehrenden Schleim in unseren Reihen haben, der die Verteidigungslinien hält, während die Echsen dazu noch unermüdlich angreifen. Aber gelingt es uns wirklich, zwei Angriffswellen standzuhalten? Denn erst wenn wir den Heldenstapel zweimal durchgespielt haben und dann immer noch im Besitz des Schatzes in der Schatzkammer sind, haben wir gewonnen. In Erinnerung bleiben wird mir auf jeden Fall die eine Partie, in der wir uns schon als Sieger wähnten und uns dann doch geschlagen geben mussten. Keine Helden mehr im Stapel, alle ein Raum vor der Schatzkammer erschöpft und dann das Unfassbare: Der letzte gestohlene Schatz bewirkte, dass alle Helden im Verlies wieder neue Inspiration erhielten und als Konsequenz unsere Schatzkammer überrannten.
Man benötigt, um HELDEN MÜSSEN DRAUSSEN BLEIBEN mit Spaß spielen zu können, ein gewisses Frustpotenzial. Wer damit umgehen kann, nicht aus jedem Spiel siegreich hervorzugehen, wird seinen Spaß mit diesem Dungeon-Verteidigungsspiel haben. Und wird durch die 20 Szenarien sowie die neun, immer wieder neu zusammenstellbaren Monsterclans genug Vielfalt für viele Partien haben. Ich zumindest habe mir fest vorgenommen, einmal die Kampagne mit allen Szenarien durchzuspielen, wenn möglich aber nicht alleine. Denn eine Solopartie stellt einen Spieler dann doch noch einmal vor besondere Herausforderungen. Alleine mit einem Clan gegen all die Helden zeigt, dass das alte Motto „Einer für alle, alle für einen“ doch oft zielführender ist.
Man sollte sich bei seinen Kaufüberlegungen im Übrigen auf keinen Fall durch das Cover der Schachtel beeinflussen lassen. Die niedlichen Monster und das im gleichen Stil gezeichnete Verlies lassen auf den ersten Blick vermuten, dass es sich bei HELDEN MÜSSEN DRAUSSEN BLEIBEN um ein Kinderspiel handelt. Ist es aber mitnichten, die Altersangabe ab 12 Jahren erscheint mir sehr zutreffend. Durch den Zeichenstil kommt eine gewisse Leichtigkeit ins Spiel, die für mich den doch eher augenzwinkernden Kampf der Monster gegen die Helden gut darstellt. Es gibt aber auch Stimmen, denen dieser Stil nicht stimmig genug war und die sich gerne mehr Dungeon-Feeling gewünscht hätten. Hier gilt wohl wie fast immer: Alles eine Frage des Geschmacks.
Sandra Pesavento
Luís Brueh: HELDEN MÜSSEN DRAUSSEN BLEIBEN! für 1 – 4 Personen ab 10 Jahren mit Illustration von Luís Brueh bei Mirakulus 2023, Spieldauer 40 Minuten, Made in ???
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