Fairplay 130 – Rezensionen: Robin Wood vs. Robin von Locksley

Helden in Strumpfhosen

Robin Wood vs. Robin von Locksley

Der legendenhafte Charakter von Robin Hood ist ein Phänomen: Fast jede Generation besitzt mittlerweile ihren eigenen stilbildenden Spielfilm über den Mann in Strumpfhose. Bei mir war es der Streifen mit Kevin Costner Anfang der 90er. Das liegt mit großer Sicherheit im Gerechtigkeitsmotiv begründet, denn Robin Hood nimmt den Reichen und gibt es den Armen. Ein Outlaw, der gegen eine verhasste Obrigkeit kämpft und so wegen seiner Gesetzesbrüche zum Sympathieträger des gemeinen Volkes avanciert.

Robin Wood: Cover

Da ist es vollkommen klar, dass es dieser Heldenstoff ebenfalls in eine ganze Reihe Adaptionen für Brett- und Kartenspiele geschafft hat. Bei Boardgamegeek sind nicht weniger als 30-40 verschiedene Titel zu finden. Und 2018 und 2019 sind weitere Titel dazugekommen, die durchaus einen Blick lohnen. Das 2018 über Kickstarter erschienene ROBIN HOOD AND THE MERRY MEN ist keinen Blick wert, weil die teure Materialschlacht in einer endlosen, glücksabhängigen Würfelorgie endet, nach der man sich lieber freiwillig in ein Verlies in Nottingham stecken lässt, als sich noch einmal in Strumpfhosen in den Sherwood Forest zu begeben.

Robin Wood: Beispiel-Karte Robin Hood
Robin Wood: Beispiel-Karte Sheriff

Umso mehr entzückt das kleine Kartenspiel ROBIN WOOD. Dieses ist im französischen Verlag Bad Taste Games erschienen. Seine Spielmechanik erinnert entfernt an ein Kartenspiel, welches ein Freund von mir von einer längeren Reise durch Südosteuropa unter dem Namen COBRA mitbrachte. Dieses hatte er sich unterwegs von einem Israeli beibringen lassen, welches dieser wiederum in Indien von einem Südamerikaner aufgeschnappt hatte (ist es nicht entzückend, dass solche Geschichten heute möglich sind?).

„Spannungsreich wird es, wenn einer im Team ausscheidet und dennoch auf einen Sieg hoffen kann.“

Mit ein paar Karten aus einem Skatblatt entsteht in COBRA ein fabelhaftes Bluffspiel, bei dem verdeckt ausliegenden Karten Funktionen zugewiesen werden, die die Spielenden mal wissen und mal nicht wissen bzw. glauben zu wissen und dann angewendet werden. Ein bisschen wie MASCARADE, nur dass die Karten alle in der Mitte liegen und nicht vor uns. Nachteil des Skatblatts ist, dass ich mir nie die Funktionen der einzelnen Karten merken konnte.
Hin und wieder überlegte ich daher, ob sich für dieses Spiel nicht ein Thema finden ließe, damit dieses abstrakte Moment wegfiele. Nun muss ich nicht mehr länger überlegen, denn in gewisser Weise hat Bad Taste Games das Thema gefunden.

Robin von Locksley (Wyrmgold): Reitender Robin

In ROBIN WOOD werden 16 Karten verdeckt ausgelegt. Nur der Verräter liegt offen. Reihum schauen wir uns verdeckt eine der Karten an und dürfen anschließend die Karte benennen und ihre Funktion ausführen. Robins Gefährte erlaubt uns zum Beispiel einen weiteren Zug zu machen, der Mönch erlaubt uns eine Karte umzudrehen, die verdeckt oder offen liegt.
Wie bei MASCARADE kann die Benennung der Karte auch gelogen sein. Allerdings ist Vorsicht geboten: Zweifelt ein Mitspieler meine Benennung an – weil er es besser weiß oder es vermutet – so wird die Karte aufgedeckt und überprüft. War meine Ansage richtig, so verliert der Zweifler einen von zwei Lebenspunkten und ich darf die Kartenfunktion nutzen. War meine Ansage jedoch falsch, so verliere ich selbst einen Lebenspunkt und darf die Funktion natürlich auch nicht nutzen.

Auch durch Aufdecken des Verräters verlieren wir einen Lebenspunkt. Bei Verlust von zwei Lebenspunkten scheidet man aus. Das Spiel ist beendet, wenn jemand mit der Funktion von Robin die Karten des Sheriffs und seinen beiden Assistenten aufdecken kann oder mit der Funktion vom Sheriff die Karten von Robin und seinen beiden Gefährten. Das funktioniert hervorragend zu zweit, zu dritt oder zu viert (dann als Team gegeneinander).

Gerade im Teamspiel zu viert ist es großartig! Dann kommt es auch zum Auftritt der Herbergsfrau, die es erlaubt, der Partnerin geheim eine Karte zu benennen. Spannungsreich wird es, wenn einer im Team ausscheidet und dennoch auf einen Sieg hoffen kann, weil der andere das Spiel noch einmal trickreich dreht. Langweilig wird es bei einer Spieldauer von ca. 5-15 Minuten sowieso nicht.

ROBIN WOOD liegt aktuell leider nur auf französisch vor und war nach der Messe in Essen 2018 schnell ausverkauft. Es ist äußerst bedauerlich, dass es scheinbar keinem größeren Verlag aufgefallen ist, denn eine englische oder deutsche Lokalisierung wäre dem Spiel sehr zu wünschen. Bis das geschieht: Schlagen Sie zu, sollte sich die Gelegenheit ergeben! Die französische Regel können Sie sich bei Bedarf auch von einem Internettranslator übersetzen lassen.

Robin von Locksley (Wyrmgold): Cover

Einen Blick wert ist auch ROBIN VON LOCKSLEY von dem neugegründeten Verlag Wyrmgold. Neben dem zweiten Spiel DRACHENSACHEN ist Wyrmgold damit das Kunststück gelungen, gleich auf Anhieb ein Spiel von Großmeister Uwe Rosenberg zu präsentieren. Und, oh Wunder: Mal ganz ohne Ackerfurche oder Puzzlestücke. Nein, vor uns liegt ein Rennspiel. Robin und seine namenlos bleibende Schwester wetteifern darum, wer von ihnen zukünftig von den Barden besungen und in die Geschichtsbücher eingehen wird. Sieger ist, wer einen Parcours mit Aufgaben zweimal zuerst umrundet hat.

In der Mitte des Parcours befindet sich ein Feld von 5×5 ausliegenden Beutestücken in sechs verschiedenen Farben.  Abwechselnd beginnen wir unseren Zug, in dem wir unsere Robinfigur auf den Beutekarten den vom Schach bekannten Rösselsprung ausführen lassen (zur Herkunft des Rösselsprungs vgl. L.U.Dikus in Fairplay 129/2019). Das Beutestück, auf welches wir springen, nehmen wir an uns.

Robin von Locksley (Wyrmgold): Spielaufbau

So entstehen vor uns Beutesammlungen, die wir jederzeit zu Goldstücken machen können: Mit steigender Anzahl der Beutestücke steigt auch die Summe der Goldstücke, die wir einstreichen. Die Aufgabenfelder im Parcours verlangen von uns bestimmte Zusammenstellungen von Beutestücken: Beispielsweise, dass wir mindestens zwei verschiedene Beutestücke oder genau drei Beutesammlungen besitzen oder eine Beutesammlung verkaufen. Umgehen können wir eine Aufgabe, indem wir einfach ein Goldstück bezahlen.
Wir jonglieren hier dementsprechend mit zwei Spielaufgaben: Einerseits müssen wir unsere Robinfigur möglichst nachhaltig und vorausschauend durch die ausliegenden Beutestücke manövrieren. Andererseits müssen wir permanent abwägen, welche der Aufgaben wir beim Einsammeln der Beutelstücke ganz nebenbei erfüllen können und am besten noch mit einer anderen Aufgabe sinnvoll verknüpfen können. Oder ob uns die nächste Aufgabe zu aufwändig ist und wir lieber mal in die Tasche greifen und uns die Erfüllung erkaufen, weil wir die dahinterliegenden Aufgaben gerade alle so schön erfüllen können.

Das besitzt einen gewissen Reiz, trägt aber leider nicht über viele Spiele. Nach keiner Partie war der Wunsch da, es sofort noch einmal zu spielen. Warum? Weil eine gewisse Varianz fehlt, auch wenn die Anordnung der Aufgabenplättchen immer wieder unterschiedlich ist, aber auch, weil das Spiel trotz seiner thematischen Einbettung abstrakt bleibt. ROBIN VON LOCKSLEY funktioniert tadellos und fordert heraus, aber es packt mich emotional nicht. Jedenfalls nicht so wie einige andere Zweipersonenspiele, die ich gerne ausdauernd und unermüdlich nochmal und nochmal und nochmal gespielt habe und anschließend immer noch nicht genug davon hatte. Wie auch immer Ihnen die beiden Spiele gefallen, sicher ist in jedem Fall in Anlehnung an Robins späteren Landsmann mit der Lizenz zum töten: Robin will return…

Jan Drewitz

Dieser Text erschien in der 130. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 24 Euro im Jahr.


Alexis Campart: ROBIN WOOD für 2 bis 4 Personen mit Illustration von Goupil bei Bad Taste Games 2018, Spieldauer 10 – 15 Minuten.
Uwe Rosenberg: ROBIN VON LOCKSLEY für 2 Personen mit Illustration von Maren Gutt bei Wyrmgold GmbH 2019, Spieldauer 15 – 45 Minuten.