Noten und Notenänderungen

Als Erwiderung auf meinen Artikel „Die Grenzen der Spielekritik“ schrieb ein Leser im Spielbox-Forum: „(…) Meines Erachtens zeigt sich der völlige Unsinn der Notengebung, wenn ein Kritiker ein Spiel mit einer bestimmten Note bewertet, sagen wir einmal mit 3, und dann später, sagen wir auf einer Internet-Seite, diese Note auf 3+ anhebt und das dann mit der Zusatzbemerkung versieht, zu mehr könne er sich noch nicht entschließen. Das zeigt wohl einigermaßen klar, dass es einen objektivierbaren Maßstab zur Bewertung von Spielen nicht gibt.“
Ich müsste mich davon nicht unbedingt angesprochen fühlen, schließlich habe ich in meinem Artikel Noten überhaupt nicht erwähnt. Trotzdem fühle ich mich angesprochen, weil die Aussage ganz offenbar auf meinen Blog-Beitrag vom 26. Januar 2007 („Imperial: Notenänderung“) gemünzt ist.

Hier also meine Meinung über Noten:
1. Noten sind ein notwendiges Übel. Mehr nicht. Wenn alle Rezensionen so geschrieben wären, dass man beim Lesen ein klares Bild erhielte, welche Erlebnisse der Rezensent mit dem Spiel gehabt hat und wie er das Spiel aufgrund dieser Erlebnisse bewertet, wären Noten überflüssig. Allerdings sind Rezensionen überwiegend nicht so geschrieben. Oft erfahren die Leser erst durch die Note, wie der Rezensent das Spiel einschätzt.
2. Noten sind gefährlich. Sie verleiten den Rezensenten dazu, auf eine ausführliche Bewertung des Spiels zu verzichten. Er kann ja hinterher eine Note geben und das ist für ihn viel einfacher.
3. Noten sind nicht objektiv. Natürlich nicht. Aber: Nimmt das tatsächlich jemand an? Mir scheint die Nicht-Objektivität von Noten ein beliebtes, weil unwiderlegbares Gegenargument der Notengegner zu sein; dabei hat von den Notengebern wahrscheinlich nie jemand behauptet, dass Noten objektiv seien.
4. Nichts desto trotz sind Notenspiegel sehr unterhaltsam. Ich jedenfalls gucke mir gerne Rankings und Notentabellen ab. Nur um mal zu gucken. In der Fairplay studiere ich immer mit als erstes die Notenseite, um zu schauen, was meine Kollegen denn zu den einzelnen Spielen meinen und wo ich in diesem Spektrum mit meinen Noten gelandet bin.

Zu meinen eigenen Noten:
Noten dienen mir, um in Kurzform eine Auskunft über den „Besitz- und Wiederspielreiz“ des Spieles zu geben. Note 1 bedeutet, das Spiel reizt mich immer wieder neu. Es ist ein echter Dauerbrenner und sogar besser als interessante Neuheiten. Note 2 erhalten Spiele, die ich so gut finde, dass ich sie unbedingt besitzen möchte. Sie bereichern meine Sammlung, auch wenn sie in Anbetracht der Masse von Konkurrenzspielen leider nur noch alle Jubeljahre mal wieder hervorgeholt werden können. Note 3 steht für Spiele, die durchaus ordentlich sind und ein paar Mal auch Spaß machen. Ich würde freiwillig und auch gern mitspielen, wenn jemand das Spiel vorschlägt. Selber vorschlagen würde ich es nach Abschluss der Testreihen aber nicht mehr. Note 4 schließlich geht an Spiele, die in meinen Augen nichts Besonderes sind. Sie funktionieren, machen aber keinen Spaß. Für die Note 5 muss ein Spiel schon gravierende Macken, Material- oder Regelfehler haben. Und Note 6 schließlich ist den absoluten Unverschämtheiten vorbehalten.
Diese Noten sind Maximalnoten. Für die Note 1 würde ich nicht verlangen, dass das Spiel in jeder meiner Runden der absolute Kracher sein muss. Es genügt, wenn ich mit dem Spiel in einer meiner Spielerunden wiederholt den allerhöchsten Spielreiz empfinde.

Da es mir um Langzeiteinschätzungen geht, kann sich meine Meinung natürlich auch wieder ändern. Oft muss ich die Noten für Fairplay schon zu einem Zeitpunkt abgeben, wo ich mir noch gar nicht sicher sein kann, dass ein Spiel mich wirklich auf Dauer fesselt. PUERTO RICO beispielsweise hatte seinerzeit von mir vorsichtshalber nur eine 2+ bekommen. Das war, wie ich hinterher feststellte, zu wenig. Und ich bin froh, dass ich in diesem Blog nun die Möglichkeit habe, meine ursprünglichen Einschätzungen zu korrigieren.
Um zum Schluss endlich auf IMPERIAL zu kommen: Ich mag hier nicht in den allgemeinen Lobes-Chor einstimmen. Wie in dem kurzen Blog-Beitrag geschrieben, habe ich Zweifel an dem Spiel: Ich fürchte, dass die attraktive Kombination aus einfachen Regeln und hohem Verflechtungsgrad nur für die ersten Partien interessant ist und die Belohnung, dass ich mich in diesem Spiel eines Tages wohl fühle, am Ende ausbleibt. Weil ich IMPERIAL aber gerne mitspiele, habe ich im Heft die Note 3 gegeben. Die Erhöhung auf 3+ soll nun in etwa aussagen: Die interessierte Beschäftigung mit dem Spiel dauert länger an als erwartet, aber ich bin bei IMPERIAL weiterhin Suchender und noch nicht am Ziel.

2 Kommentare zu „Noten und Notenänderungen“

  1. Hallo Udo,

    deine Position zur Benotung von Spielen finde ich absolut nachvollziehbar und teile sie daher gerne. Natürlich wären Noten nicht unbedingt nötig, sie sind aber ein geeignetes Instrument um Lesern sowie Rezensenten eine Möglichkeit zum Überblick über unterschiedliche Spielbewertungen zu geben.

    Ihre Funktion ist ganz einfach: Noten abstrahieren den vom Kritiker (so sich dieser denn als solcher betrachtet) empfundenen Spielreiz bzw. den subjektiven Eindruck von der Qualität des Spiels. Durch ihre Skalierbarkeit werden sie unmittelbar komparabel.

    Das heißt aber noch lange nicht, dass Noten dadurch einen ontologischen Wahrheitsgehalt erhalten. Sie können also folglich gar nicht objektiv sein. Um so mehr ist eine Aktualisierung der Notenvergabe zu begrüßen, zeigt sie doch, dass sich der Eindruck eines Rezensenten von einem Spiel mit zunehmender Spielerfahrung sehr wohl ändern kann.

    Dass ausgerechnet die kritikgebundene Vergabe von Noten eine solche Diskussion auslöst, finde ich erstaunlich, gibt es doch erheblich gewichtigere Gründe zur Kritik an der Spielekritik.

    Auf deinen (ub’s) Artikel freut sich
    Mirko, der spielerisch grüßt

  2. Hallo Udo,

    ja, Noten müssen sein (sowohl in der Schule als auch bei Tests von Produkten jeglicher Art) und sie müssen auch modifiziert werden! Natürlich mit dem Bewusstsein, dass Noten immer stark subjektive Sichtweisen (was im Besonderen für Spieletests gilt) darstellen, auch wenn sie mit Hilfe von überprüf- und wiederholbaren Messwerten eine gewisse Objektivität erreichen sollen.

    Warum Noten?

    Nur so können wir Menschen mit unserem Kategoriendenken die Beurteilung eines Rezensenten wirklich einordnen und mit anderen Ergebnissen vergleichen. Wichtig hierfür ist nur einschätzen zu können, welche Kriterien der einzelne Kritiker für seine Benotung zur Hand nimmt und wie er sie gewichtet. Bei Spieletests wäre dies am einfachsten darzustellen, indem des Autors Lieblings- und ungeliebteste Spiele mit angeführt werden.

    Warum modifiziert?

    Weil sich selbstverständlich der (subjektive) Eindruck des Kritikers im Laufe der Zeit ändert. Es werden ja nicht die unveränderlichen Mechanismen eines Spiels beurteilt, sondern der Unterhaltungwert, der Spaß am Spiel. Und der ist bei fast jedem Spiel, wage ich zu bahaupten, am Anfang am Größten (Die Euphorie am Entdecken von Neuem steht späterem Abarbeitem bekannter Abläufe gegenüber.) Gerade auch der Punkt der Langzeitmotivation – wieviel Freude hat man nach 50 Partien noch mit dem Spiel – ist ein interesanter Aspekt. In dieser Hinsicht müsste wahrscheinlich ein großer Teil der Fairplay-Noten früher oder später modifiziert werden.

    Ich widerspreche auch Tom Felbers Weigerung zur Notenvergabe. Er hat Recht, dass jeder Mitspieler die Qualität eines Spieles mitbeeinflusst (man sollte mit mir keine Party-Spiele spielen) und die Notenvergabe letzten Endes subjektiven Eindrücken unterliegt, aber dennoch muss man Stellung beziehen und seine Meinung klar darlegen – das ist die Aufgabe eines Kritikers. Und das gelingt am Klarsten und Einfachsten mit einer nackten Note. Diese kann ja differenziert werden (je nach Spielerzahl) und im Text näher erläutert werden, nur um ein vorläufig endgültiges Statement kommt der Rezensent schlussendlich nicht herum, so denke ich.

    Deshalb finde ich das Notensystem der Fairplay und die Entscheidung, Noten zu modifizieren für sehr gelungen. Bitte weiter so.

    Klaus

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