Keiner legt geiler
Ach du gute alte Zeit. Als es noch Kleinverlage gab, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten Spiele auf den Markt brachten. Irgendwie sympathisch und doch nicht ganz so professionell. Heute ist es genau andersherum: Alles professionell, aber ich fühle mich oft emotional gar nicht bewegt. Alles toll, alles schön. Und das Spiel? Ach, die gute alte Zeit … lebt doch fort. In Heidenau, ausgerechnet beim PD-Verlag. Macht PD nicht sonst richtig anspruchsvolle und vor allem gute Spiele?
Und dann hier eine Schachtel von damals. Wäre sie cool und stylisch, wäre alles weiß und wären nicht noch so ein paar Fotos auf dem Cover verstreut. Nichts weiter, nur der Name: PICTURES. Gerade so, wie es jetzt schon auf dem Cover prangt. Jeder Buchstabe aus den Materialien geformt, mit denen wir die Pictures legen. Bauklötze, kleine Holzquader, Ästchen und Steine und Schnürsenkel. Zwei unterschiedlich lange, aber ich hasse die. Wie soll ich daraus nur vernünftig die Fotokarten „nachbauen“, damit die Mitspieler meine Nicht-Foto-Kunst dem Kunstfoto zuordnen können. Und dann sind da auch noch Symbolkarten. Da schüttelt mich die gute alte Zeit nochmal richtig durch. So gut war die doch nicht …
Doch, war sie, denn PICTURES ist der Wolf im Schafspelz, so wie sich damals gute Spiele hinter nicht ganz so gutem Material versteckten. So rein von der Schachtel würde ich heute sagen: Ach ’ne, muss ich nicht anschauen. Wär‘ ein Fehler.
Warum?! Ey, jetzt kober‘ ich Sie hier schon die ganze Zeit, haue auf die Sahne. Nur ein Grund: Damit ich das Spiel über den weißen Schachteldeckel hinaus loben kann. PICTURES läuft gut, so gut, dass selbst ich als verwöhnter Social-Gamer meinen Hut ziehen muss. Die Regel passt auf eine Seite. Und so viel Spielvergnügen mit dem Bilderlegen.
Jeder muss ein Foto aus dem 4×4-Raster darstellen. Fünf Sätze „Baumaterial“ stehen zur Verfügung. Jeder hat ein anderes und jeder muss für die fünf Durchgänge ein anderes Set benutzen. Sie sind nur zu dritt? Dann liegen zwei Materialien jede Runde in der Warteschleife. Aber ich kann Ihnen verraten: Auch ich muss mal diese vermaledeiten Schnürsenkel und die schäbigen Karten nutzen, um mein Foto „darzustellen“. Möglichst so, dass meine Mitspieler mein „Bauwerk“ eindeutig einem ausliegenden Foto zuordnen können. Jeder richtige Tipp ist ein Punkte für mich. Errate ich selbst ein anderes Foto, gibt’s auch einen Punkt. Und bei PICTURES passt die Punktewertung richtig zum Spiel. PICTURES entwächst nicht wie das überschätzte JUST ONE seinen Regeln, hier passt alles organisch zusammen. Fünf Runden spielen wir … nur! Kleine Gemeinheit: Es kann durchaus passieren, dass ein und dasselbe Foto mit unterschiedlichem Material oder – ganz gemein – mit demselben Material nochmal gelegt werden muss. Sollten alle auf dem Schirm haben …
Ich spiele ja am liebsten mit den kleinen Holzquadern, die ich im 3×3-Raster in den Bilderrahmen einpassen muss. Da werde ich zum Pixel-Abstrakto mit Pinzettenfingern. Die Farbanordnung muss passen. Wie gerne hätte ich mehr Pixel und mehr Farben, aber keiner legt die geiler. Was ich nicht mag, wissen Sie bereits, aber alles andere „Baumaterial“ spielt sich erstaunlich gut.
Was mich allerdings wundert, dass PICTURES tatsächlich beim PD-Verlag gelandet ist. Nicht gerade die erste Wahl für Social Games, für Familien- und Party-Spiele. Sei’s drum, der PD-Verlag darf gerne den Ravensburgern Konkurrenz machen. Die verabschieden sich sowieso gerade in Richtung Hasbro. Im Niveau und beim Material geht’s bei denen bergab. Beim PD-Verlag in Sachen Spielspaß mit PICTURES aber ganz eindeutig steil bergauf. Nur allerhärteste Euro-Gamer werden sich mit Schaudern abwenden. Egal… Ravensburger hat die schließlich auch noch nie bedient.
Wolfgang Friebe
Christian Stöhr und Daniela Stöhr: PICTURES für 3 bis 5 Spieler mit Illustration von Dominik Mayer bei PD-Verlag 2019, Spieldauer 20 – 30 Minuten