Michael Schmitt im Interview. Der Gründer und Verleger der Edition Spielwiese persönlich.
Fairplay: Michael, du hast vor 14 Jahren das Brettspiel-Cafe Spielwiese im Berliner Stadtteil Friedrichshain gegründet. Wie kam es dazu?
Michael: Die Idee für die Spielwiese stammte schon aus der Mitte der 90er Jahre. Ich habe damals in Passau studiert und dort gab es eine Kneipe, in der ein komplettes Fenster mit Spielen belegt war. Man ging dort also nicht nur zum Trinken hin, sondern hatte auch immer ein Spiel auf dem Tisch, auch wenn die nicht mit den Spielen von heute vergleichbar waren: MB-Spiele, Kinderspiele, der größte Quatsch, den man nebenbei spielen kann und auf den man sich nicht groß konzentrieren muss. Aber das war echt richtig cool und damals hab ich mir gedacht, wenn mal nichts aus dir werden sollte, dann werde ich mal Wirt. In meiner Elternzeit hab ich dann darüber nachgedacht, ob ich wieder zurück in die Wissenschaft oder Politik möchte, wo ich vorher gearbeitet hatte, oder ob ich nochmal was ganz anderes machen möchte. Und da hab ich mich wieder an meine alte Idee erinnert und dann die Spielwiese gegründet.
F: Buchverlage erhalten Bibliothekstantiemen, ist das bei Ludotheken eigentlich auch der Fall?
M: Nein, bisher nicht. Vor 15 Jahren war es gar nicht so einfach, die Verlage dazu zu bringen, Spiele an Ludotheken oder Spiele-Cafes abzugeben. Es hat lange gedauert, bis Verlage kapiert haben, das Spiele-Cafes für sie große Multiplikatoren darstellen.
F: Du hast 2016 die Edition Spielwiese gegründet und Anfang des Jahres das Spiele-Cafe deinen Mitarbeitern verkauft. War dir das Cafe auf Dauer zu langweilig?
M: Schon früh sind Menschen aus der Autorenszene auf mich zu gekommen, weil die auf der Suche nach einem Platz waren, wo sie bei einem Stammtisch Prototypen spielen konnten. Denen habe ich die Spielweise montags gerne zur Verfügung gestellt. Und seitdem sind in dieser Runde über 50 Spiele entstanden, auch bei großen Verlagen. Anfragen, ob ich nicht mal eines ihrer Spiele selbst veröffentlichen möchte, hab ich immer abgelehnt. Als dann aber später Spiele bei mir zuerst auf dem Tisch lagen, die später sehr erfolgreich waren, wie PATCHWORK oder QWIRKLE, bin ich ins Nachdenken gekommen. Für QWIRKLE habe ich lange nach einem deutschen Verlag gesucht und es selbst importiert, so dass es nur bei mir erhältlich war. Ein halbes Jahr, nachdem Schmidt Spiele es veröffentlicht hat, war es dann Spiel des Jahres. Der letzte Auslöser war dann aber Uwe Rosenberg, der mir bei einer Begegnung in Essen einen „Arschtritt“ gegeben hat. Eigentlich wollte ich dann mit einem Spiel von Sophia Wagner starten, aber NORIA brauchte noch ein bisschen, und im April hat mir Uwe COTTAGE GARDEN gezeigt und gefragt, ob ich es bis zur SPIEL schaffen würde rauszubringen. Sportlich, hab ich gesagt, aber es hat geklappt!
F: Wonach entscheidest du, welche Spiele du rausbringen möchtest?
M: Eigentlich möchte ich nur Spiele verlegen, die ich im Spiele-Cafe sehe und die ich selber gerne spielen würde. Mir kommt es nicht auf die Mechanik an, ich mag Glückselemente, ich bin kein Expertenspieler. Bei Spielen für Gelegenheitsspieler hab ich ein gutes Händchen. Am Ende ist es eine Teamentscheidung. Das Team besteht aktuell aus Kaddy und Lars von ‚Spielfritte‘. Es ist ein bisschen schwerer, Familienspiele an den Mann zu bringen, weil sie sich im Laden durchsetzen müssen und nicht so sehr im Netz von den Bloggern gehypt werden, aber an Familienspielen hängt eher mein Herz dran. Deswegen habe ich ja auch das Spiele-Cafe eröffnet. Um normalen Menschen zu zeigen, dass Spielen echt cool sein kann. Und Leuten, die zuvor niemals drüber nachgedacht haben, dass sie ja auch mal ein Brettspiel spielen könnten, Spiele näherzubringen.
F: Ihr habt bei Nova Luna Corné van Moorsel eine Co-Autorschaft eingeräumt. Wurde er damit auch an den Einnahmen beteiligt?
M: Klar, natürlich. Das ist auch eine Sache des Anstands, so jemanden nicht nur zu erwähnen, sondern auch zu beteiligen. Das machen ganz viele Verlage oder Autoren nicht, wenn sie sich von irgendwas inspiriert fühlen. Sondern die denken dann, dass sie es besser machen, nutzen den Kernmechanismus und erwähnen nicht einmal wo sie den herhaben. Das finde ich ein Unding.
F: Wie sehr profitiert ein kleiner Verlag wie ihr von der Vertriebspartnerschaft über Pegasus?
M: Durch Pegasus komme ich in Läden, in die ich als Kleinverlag sonst gar nicht kommen würde. Natürlich konnte mich jeder über meinen vorherigen Vertrieb, Spiel Direkt, bestellen, aber die Kunden müssen dich da erst mal finden. Der Nachteil ist natürlich, dass deine Spiele eher als Spiele von Pegasus wahrgenommen werden, vor allem in den Social Media. Bei NOVA LUNA war das sehr häufig der Fall, da wird dann immer Pegasus verlinkt. Das betrifft durchgängig alle kleinen Verlage. Jemand mit einem größeren Ego würde sich darüber vielleicht aufregen, mir ist das relativ schnuppe.
F: Jedes Jahr kommen immer mehr Spiele heraus. Ist das auf Dauer ein Problem für Spieler und Verlage?
M: Dadurch verkürzt sich unglaublich die Halbwertszeit der Spiele. An wie viele Spiele von 2018 erinnerst du dich denn? Es ist ganz furchtbar. Spiele haben keine Zeit mehr am Markt zu reifen. Das ist echt schade. Aber was soll man da tun? Inzwischen hat der Verleger schon verloren, wenn er nur ein gutes Spiel macht. Du brauchst ein super Spiel, um in Erinnerung zu bleiben. Es gibt nur wenige pro Jahr, die das schaffen, da nehme ich uns nicht aus.
F: Warum schmeißen die Verlage jährlich so viel auf den Markt?
M: Manche Verlage sehen das als Mischkalkulation. Sie bringen viele Spiele raus, in der Hoffnung, dass eins davon richtig gut performed und die anderen mitträgt. Ein anderer Grund ist, dass nur eine bestimmte Anzahl von Spieleproduzenten existiert. Die Arbeiten alle am Anschlag, auch aufgrund der vielen Spiele. Die Verlage buchen bei denen Produktionszeiten und die musst du dann einhalten. Die Spiele müssen dann halt weg. „Better ready than perfect!“, sagt man unter Theatermenschen, und das gilt auch hier.
F: Wie hat die Corona-Pandemie eure Arbeit beeinflusst?
M: Ich bin unglaublich froh, dass ich nicht mehr das Spiele-Cafe besitze und mich ganz auf den Verlag konzentrieren konnte. Anfangs ist mir sprichwörtlich der Arsch auf Grundeis gegangen, weil es mir sehr Angst gemacht hat, dass unsere Neuheiten, die wir in Nürnberg vorgestellt hatten, nicht den Weg in den Handel finden. Mit Pegasus habe ich aber einen umtriebigen Vertrieb, der gute Ideen hat, wie man den Handel unterstützen kann und wie das Produkt zum Kunden kommt. Aber auch wenn die Brettspielbranche tatsächlich ein Profiteur der Pandemie ist, denn die Leute spielen mehr, gab es Probleme zu bewältigen. Unsere ganze Kampagne zu unserer Neuheit MICROMACRO sollte eigentlich schon zur ‚Berlin Con‘ enden und das Spiel dann dort groß rauskommen. Auch ein eigener Stand auf der ‚Gen Con‘ war geplant. Aber das ist alles ausgefallen und dann musst du ganz neu überlegen, wie man das anders vermarkten kann. Ein anderes Problem ist, dass mein Team über ganz Deutschland verteilt ist und wir uns ein halbes Jahr nicht sehen konnten. Heißt: Prototypen testen und mit denen in Spielegruppen gehen war überhaupt nicht möglich. Wir sind froh, dass die meisten Spiele für nächstes Jahr schon relativ weit entwickelt waren und wir dadurch jetzt nicht in Zeitnot geraten sind.
F: Wie beteiligt ihr euch an der SPIEL.digital?
M: Wir haben Spiele, die auf Tabletopia gespielt werden können. Unser Hauptfokus wird auf MICROMACRO liegen, aber wie wir das genau machen, wissen wir noch nicht, denn das Spiel will eigentlich groß gezeigt werden. Im Grunde kostet uns die Messe genauso viel wie sonst, aber verursacht viel mehr Arbeit. Denn das Internet kennt keine Öffnungszeiten. In Essen dauert der Messetag von 9 bis 18:00 Uhr, aber online gehen die Leute, wenn sie vor dem Rechner sitzen. Amerikaner werden zu anderen Zeiten online gehen als Europäer. Das wird wirklich für alle Verlage eine Herausforderung werden, die Besucher zufrieden zustellen!
Das Interview führte Jan Drewitz.