Was man nicht alles lernt im Leben. Ordentliche Bratkartoffeln machen, binomische Formeln und Fahrrad fahren. Dass das aber noch nicht alles ist, durfte ich erst letztens wieder feststellen. Habe ich doch irgendwo gelesen, dass Spielekritiken gefälligst auch ausführlich über das Spielmaterial berichten sollen. Ich bin ja lernfähig. TARGI hat eine kleine quadratische Schachtel, die unter anderem mit folgendem gefüllt ist: Der schwarze Schachteleinsatz aus Plastik, eine Spielregel, mehr oder weniger frische Luft, 45 Stammeskarten, 19 Warenkarten, 8 Gold, 6 TARGI-Figuren, 15 Siegpunktplättchen … hmmm. Ich fühle mich aufmüpfig. Geradezu in der Stimmung, Plakate für die nächste Demo zu malen. Lieber das, als das Spielmaterialverzeichnis abzutippen. Ich mach‘s so wie immer. Ich schreibe nur etwas über das Material, wenn mir etwas Besonderes auffällt. Und voilà, da ist sie auch schon, die erste Kritik an TARGI. Das Material ist so gut, wie wir es vom Kosmosverlag gewohnt sind, aber je nach Spielweise gibt es zu wenig Siegpunktplättchen. Das klappt ja. Denn da haben wir das nächste Stichwort. Siegpunkte. Dieses Zeug, zu dem wir Spieler ein ambivalentes Verhältnis haben. Einerseits geifern wir danach, auf der anderen Seite höre ich an dieser Stelle den einen oder anderen Spieler seufzen, wenn ich verkünde, dass das Spielziel mal wieder die guten alten Siegpunkte sind. Aber was wollt Ihr denn? Ich jedenfalls finde die Siegpunkte immer noch reizvoll. Besser zumindest als die ganzen Sammelpunkte, die es da so gibt, im Leben. Sammeln Sie 150 Punkte, zahlen Sie 17,95 Euro dazu und erhalten Sie eine wertvolle Fleecedecke im Wert von 4,99 Euro. Oder eine Kamelhaardecke. Schließlich spielt TARGI da, wo auch die Kamele wohnen.
Punkte in TARGI erhalten wir ähnlich wie die im Supermarkt. Über Waren, naja und durch Gold. 16 Karten markieren den Rahmen für die Einkaufstour. Innen liegen verschiedene Warenkarten und punktebringende Stammeskarten. Wobei wir erst die Waren brauchen, um diese dann gegen die Stammeskarten einzutauschen. Dazu schicken wir unsere 3 Targifiguren Runde für Runde auf die Randfelder. Nicht da, wo der Dieb steht, der auch als Rundenmarker fungiert, nicht auf Eckfeldern, nicht auf besetzten Feldern und nicht gegenüber einem TARGI des Mitspielers.
Anschließend setzen wir auf die sich durch die eigenen Targis ergebenden Kreuzungspunkte je einen Stammesmarker. Und schon geht es los. Was machen? Die Randfelder bringen alle mal mehr, mal weniger interessante Optionen mit sich: Tausch von Waren, Gold und Siegpunkten, eine Fata Morgana, die das Umsetzen von einem der der eigenen Stammesmarker erlaubt oder auch das Überraschungsei. Kennen wir auch aus dem Supermarkt. Das ist da, wo immer laut schreiend auf dem Boden liegend die lieben Kleinen ihre Mütter erpressen. Und dann hinterher nur meist blödes Zeugs drin ist. Bei TARGI sitzt einer meiner Targis meist recht schnell auf dem Feld, das hier Karawane genannt wird. Aber hochherrschaftlich und geduldig abwartend. Denn nun arbeiten die Spieler nacheinander ihre Einkaufsliste ab. Bei der Karawane wird eine Warenkarte umgedreht und Tatatata: Öhhhhh – ein Salz, davon habe ich schon sechs Stück. Aber wenn‘s doch gerade im Angebot ist … Aber ganz, ganz manchmal, da gibt es da halt auch ein Gold abzustauben, und das ist immer knapp.
Die Runde für Runde immer mal wieder neuen Karten im Inneren geben uns entweder Waren oder erlauben uns gütigerweise gegen saftige Gebühr eine Stammeskarte zu erwerben. Diese bringt nicht nur Punkte am Spielende, sondern eventuell auch schon Vorteile während des Spiels. Und wenn wir dann noch entweder vier gleiche oder vier unterschiedliche Stammeskarten einer Art in einer Reihe haben, gibt es nochmal Bonuspunkte.
Das Spiel endet, falls ein Spieler 12 Stammeskarten in seiner Auslage hat oder der Dieb auf Feld 16 angekommen ist. Der Dieb. Warum heißt der so? Nun ja, zum einem klaut er uns Stellplätze, indem er ein Randfeld blockiert. Zum anderen überfällt er uns bis zu viermal im Spiel. Damit es nicht zu einfach ist. Sagen wir mal so. Ohne störenden Mitspieler und Dieb wäre TARGI bestimmt sehr schön. Ein positives Spielerlebnis. So wie es ist, ist TARGI ein sehr spannendes Spielerlebnis. Thematisch passend mangelt es an allem: Gold, Stammeskarten, Targis zum Einsetzen. Jedenfalls fühlt es sich so an. Und dann beim Einsetzen. Was ist mir wichtig, und wo setze ich mich zuerst hin? Nicht dass der Mitspieler meint, dahin zu müssen. Der dritte TARGI wird meist sowieso nur noch aus purem Platzmangel da eingesetzt, wo er eingesetzt wird. Die Wüste ist definitiv überbevölkert. Welche Stammeskarte ist überlebensnotwendig für mich? Und welche sollte der Mitspieler tunlichst nicht bekommen? Bei TARGI ärgere ich mich richtig, wenn ich verliere. Ich kämpfe um jeden Punkt. Ich vergesse Raum und Zeit. Ich steigere mich rein. Und das geht nicht nur mir so. In meiner spielerischen Umgebung breitet sich TARGI wie ein Virus aus. Alle, die es kennen, sind befallen. TARGI ist spannend, fordernd, fesselnd. Wir kommen garantiert auch ohne Kamelhaardecke ins Schwitzen. Mehr davon!
Sarah Kestering
Andreas Steiger: TARGI für 2 Personen ab 12 Jahren mit Illustration von Taira Akitsu und Franz Vohwinkel bei KOSMOS 2012, Spieldauer 60 Minuten
Unterstützen Sie unsere Arbeit: Abonnieren Sie das gedruckte Magazin oder bestellen Sie einzelne Hefte.