Tempel, Leuchtturm und alle anderen Wunder
7 WONDERS gewann 2011 unseren À la Carte Kartenspielpreis. Zeit zurückzublicken und nachzulesen, was Peter in der Fairplay Nr.95 schrieb:
Ja, die sieben Weltwunder der Antike sind Thema eines für Furore sorgenden Spiels, das in Essen auf den letztjährigen Spieltagen Premiere hatte. Bei der immer beliebter werdenden Scoutaktion unserer Fachzeitung konnte sich 7 WONDERS auf dem ersten Platz einrichten. Das ist nicht nur großes Lob, sondern mittlerweile auch ein Gradmesser für gute Spiele für ein anspruchsvolles Publikum. Und auch ich glaube, dass dieses Spiel dem gerecht wird.
Jeder bekommt einen Stadtstaat zugeordnet und muss diesen zur Blühte entwickeln. Dazu gehört auch, aber nicht nur, der Bau eines Weltwunders. Man muss sogar nicht einmal das Weltwunder in Gänze errichtet haben, um zu gewinnen. Das Errichten einzelner Bauabschnitte erbringt aber allemal satte Vorteile. Jeder erhält ein kleines Tableau, z.B. Gizeh. Auf ihm werden Münzen und Marker gesammelt. Etliche Spielkarten werden während des Spiels an, unter und um dieses Tableau gelegt. Letztendlich sind es diese Spielkarten, die das Herz des Spielgeschehens bilden. Es ist kein Fehlurteil, wenn man 7 WONDERS als Kartenspiel bezeichnet, obwohl es in einem großen Karton steckt.
Antoine Bauza: 7 WONDERS für 2 – 7 Personen ab 10 Jahren mit Illustration von Dimitri Chappuis, Miguel Coimbra, Etienne Hebinger, Cyril Nouvel bei Repos Production/Asmodee 2010, Spieldauer 30 Minuten
Die Spielkarten werden in drei Zeitalter aufgeteilt, was bedeutet, dass insgesamt drei Spielabschnitte absolviert werden. In jedem Zeitalter wählt jeder Spieler sechs Karten, die er zum Ausbau seines Stadtstaates nutzt. Der Spielrhythmus ist einfach und pfiffig zugleich. Pro Zeitalter erhält jeder Spieler zunächst sieben Karten vom jeweiligen Stapel auf die Hand. Dann sucht sich jeder eine Karte aus seinem Talon aus und gibt die restlichen Karten weiter an seinen Nachbarn. Nun hat jeder sechs Karten auf der Hand und nimmt sich wieder eine Karte. Das geht so weiter, bis man zwei Karten erhält. Von denen wird noch eine ausgesucht, die andere kommt aus dem Spiel. Dieser Spielrhythmus ist flott erledigt, da es lediglich um das Nehmen einer Karte geht, auch wenn bisweilen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um bestimmte Karten nehmen zu dürfen. Zu Wartezeiten, weil man tiefgreifend überlegen muss, kommt es hier selten. Außerdem agieren die Spieler parallel. Das ist ein großer Vorteil des Spiels.
Mannigfaltigkeit und Abwechslung kommt durch die enorme Bandbreite der Spielkarten in den Ablauf. Da gibt es braune, graue, rote, blaue, gelbe, grüne und violette Karten, die alle für etwas anderes stehen und in der eigenen Gruppe noch einmal stark differieren. Auch gibt es eine sukzessive Wertsteigerung von Zeitalter zu Zeitalter. Außerdem sollte man die fixen Möglichkeiten eines jeden Stadtstaates berücksichtigen. Auch sie stehen in Interdependenz mit bestimmten Kartenwerten.
So wählt jeder Karten, die zunächst einmal Spielvorteile bedeuten. Die braunen Karten stehen beispielsweise für Rohstoffe, die man zunächst gerne nimmt, weil man damit später dann bestimmte andere, wertigere Karten erwerben kann. In der Regel ist es so, dass die gewählte Karte offen zum Stadtstaat gelegt wird und so dann permanent Vorteile erbringt. Bisweilen fehlt aber eine Voraussetzung zum Erwerb einer Karte, z.B. ein bestimmter Rohstoff. Den darf man dann nur bei einem seiner Nachbarn (also rechts oder links) ankaufen. Dieser darf den Kauf nicht verwehren, kassiert dafür aber Geld. Dieses benötigt man durchaus und wer knapp bei Kasse ist, kann beim Kartenwählen eine beliebige Karte einfach aus dem Spiel nehmen (statt eine Karte bei sich auszulegen) und erhält dafür Bares. Gemein dabei ist, dass man natürlich Karten aus dem Spiel nimmt, die die Konkurrenz vielleicht gut gebrauchen könnte. Weil ja alles offen liegt, weiß man stets, was die Konkurrenz für Ziele verfolgt. Ähnliche Überlegungen spielen beim Bau einer Pyramidenstufe eine Rolle. Auch hier muss man bestimmte Voraussetzungen an Waren, Rohstoffen oder Gütern erfüllen und darf dann eine beliebige Karte verdeckt unter den entsprechenden Bauabschnitt seines Tableaus schieben. Will heißen, man hat auch auf diese Weise eine (wahrscheinlich für andere interessante Karte) aus dem Spiel genommen und sich selber einen Spielvorteil erworben.
Zwei konkrete Beispiele verdeutlichen die Wechselwirkungen. Die roten Karten stehen für Kampfkraft. Ihr Wert wird am Ende jeden Zeitalters, also dreimal im Spiel, mit den Werten der direkten Nachbarn verglichen. Wer schwächer ist, erhält einen Minusmarker, der Stärkere bekommt Pluspunkte und zwar mehr, je weiter das Spiel vorangeschritten ist. Wer nun den Koloss von Rhodos errichtet, erhält mit der zweiten Bauphase zwei Kampfkraft-Punkte, ein starker Zugewinn. Wird dieser Vorteil noch durch rote Karten unterstützt, sollten für diesen Teilaspekt ordentlich Siegpunkte herausspringen. Wenn nun aber die Nachbarn das antizipieren und selber gar nicht in Rot investieren, quasi hier das Feld dem Rhodos-Spieler überlassen, dann wäre es vergeudete Investition, weiter in Armeen zu investieren, denn jeder Kartenwert kann wichtig sein oder werden. Man muss bei allen Teilzielen immer nur möglichst knapp den anderen überlegen sein.
Interessant sind im letzten Zeitalter die violetten Gilden-Karten. Sie belohnen noch einmal ordentlich bestimmte Spielstrategien mit Siegpunkten. So partizipiert beispielsweise die Gilde der Händler an den gelben Handels-Vorteils-Karten der direkten Nachbarn. Wer also während des Spiels seine Nachbarn beobachtet, kann deren Spielvorteil am Ende zum eigenen Nutzen wenden, wenn man die entsprechende Gilden-Karte erwerben kann. Es sind nie alle Gilden-Karten im Spiel. Ich hatte ja bereits zuvor erwähnt, dass Mitspieler Karten auch aus dem Spiel nehmen können.
Das Spiel ist deshalb so klasse, so spannend, so gut, weil viele Faktoren ineinander greifen, wovon hier nur ein kleiner Teil erwähnt wurde. Trotzdem verläuft das Geschehen flüssig. Man muss kaum Regeln lernen, alles spielt sich sehr intuitiv. Das parallele Nehmen der Karten beschleunigt ungemein. Das parallele Auswerten der Karten, so in der Regel angeregt, empfehle ich allerdings nicht. Jeder möchte doch eigentlich wissen, was die anderen so planen und tun. Das lässt sich aber am besten erkunden, wenn man immer gleich mitbekommt, wer welche Karten und mit welchem Nutzen gewählt hat. Dadurch verlängert sich die Spielzeit etwas, sie bleibt aber moderat zwischen 30 und 90 Minuten, je nach Spielerzahl. Das Spiel funktioniert mit drei bis sieben(!) Spielern gleich gut. Im Zweierspiel gibt es eine Krücke, die den Ablauf leicht verkompliziert, aber letztlich doch gut funktioniert, so dass es selbst für das Zweierspiel keine einschränkende Empfehlung gibt. Die Graphiken von Miguel Coimbra sind grandios. Die Karten- und Tableau-Bilder verführen die Spieler ohne Umwege in das Geschehen der Antike. Man möchte sogleich mit dem Spielen beginnen. Eine Empfehlung wird ohne Einschränkung ausgesprochen. Dieses Spiel muss man haben! Die Fairplay-Scouts in Essen haben sich nicht geirrt.
Peter Neugebauer
Antoine Bauza: 7 WONDERS für 2 – 7 Personen ab 10 Jahren mit Illustration von Dimitri Chappuis, Miguel Coimbra, Etienne Hebinger, Cyril Nouvel bei Repos Production/Asmodee 2010, Spieldauer 30 Minuten
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