Fairplay 145 – Rezension: Tipperary

In Irland werdense verarXXXt

Günter Burkhardt: TIPPERARY für 2 – 5 Personen ab 8 Jahren mit Illustration von Ari Oliver und Klemens Franz bei Lookout Games 2023, Spieldauer 45 Minuten, Made in the Netherlands

Günter ohne H Burkhardt aber mit T ist ja schon ewig als Autor dabei. Und ausgerechnet ich habe sein erstes richtiges Spiel für die Fairplay besprechen dürfen. 1997 erschien LANG LEBE DER KÖNIG bei F.X. Schmid – ohne T – und entpuppte sich als eher graupiges Spiel. Heute weiß ich natürlich, warum ich das besprechen sollte. Burkhards KAP BIS KAIRO gewann 2002 unser „À la carte“, wohl eher aus Mangel an anderen besseren Kartenspielen. Erst sein SEELAND (Ravensburger 2010, zusammen mit Wolfgang Kramer) begeisterte mich, aber eher aufgrund des Themas. SCHWARZ ROT GELB, POTATO MAN und BINGOLINO hätten bei mir heute noch eine Chance. Sein laut boardgamegeek bestes Spiel ULM hingegen eher nicht. Und jetzt habe ich TIPPERARY an der Backe…


Schön ist das Cover ja nicht. So düster, so regnerisch, so dusselig winterlich. Die Schafe tragen dicke Wolle, das Mädchen dicken Mantel und Schal, selbst der schwarze Hund ist ganz sauselig, Die beiden kahlen Bäume umrahmen das düstere Bild. Nicht sehr einladend, der Regen kommt horizontal. Klar, so habe ich Irland tatsächlich auch schon erlebt. Von jetzt auf gleich nass bis auf die Knochen. Und noch so allerhand mehr: Zu viel Geld für Mauerreste bezahlt, aber immerhin einen Esel in den Ruinen getroffen. In einem Pub hielten sie mich wohl auch für den Esel, den man beim Wechselgeld um 20 Pfund bescheißen kann. Und auf einer Wanderung haben uns die Wegweiser einfach im Stich gelassen. Als wir dennoch auf beschwerlich steilen Pfaden den Berg bezwungen hatten, war der Ausblick regenverhangen. Vielen Dank! In Dublin haben sie uns mit günstigem Essen ins Restaurant gelockt, die Preise auf der Karte drinnen waren doppelt so hoch. Wir sind nie wieder hin. Trotzdem: Murphys trinke ich bis heute gerne, lieber noch als Guinness … und jetzt habe ich TIPPERARY an der Backe. Ob Günter und Irland noch meine Freunde werden?


Ich bin erstmal beschäftigt, muss Puzzleteile ausstanzen. Sind ’ne Menge und alle sehr unterschiedlich. Wirklich sehr unterschiedlich, teils riesig oder unerwartet unförmig für ein Legespiel. Gut, alle zeigen Wiesen (ohne Schafe), Weiden (mit Schafen), Getreidefeldern, Destillerien, Ruinen und Maulwurfshügeln, bestehen aus zwei bis sieben Quadraten. Diese wilden Teile müssen alle in das schwarze Säckchen. Sie passen nur so gerade rein. Und wenn wir pro Runde Teile daraus ziehen wollen, sind die kleineren unten gar nicht zu erreichen. Nur die großen unförmigen Sechser- oder Siebenerpuzzleteile lugen wie Haifischflossen fast schon heraus. Gut dass ich dafür einen größeren Sack parat habe, in dem mal ein Crown Royal Rye aus Kanada steckte. Na immerhin können wir die Bonusteile ganz elegant aus dem schwarzen Sack ziehen.


Boah, genug jetzt? …aber habe ich schon die Regel erwähnt? 12 Seiten Anleitung für was?! Ein Spielchen, das in 15 bis 20 Minuten gespielt ist. Echt jetzt?! Als ich das noch nicht wusste, habe ich mir schon Sorgen gemacht, ob ich das meinen Normalos überhaupt zumuten kann. Worum geht’s denn jetzt bei diesem Legespiel? Sie ahnen es: Um Punkte natürlich. Für die größte Schafherde, die sich zusammenhängend auf ihren Plättchen befindet. Für die größte zusammenhängende Fläche ohne Löcher, Überstände machen nix, nur Löcher sind schlecht. Und darum, wie oft Sie entweder Getreide- an Destilleriefelder oder umgekehrt angelegt haben, ob Ihr unregelmäßig geformtes Heimatplättchen auch an den Ecken umschlossen ist und um Siegpunkte für Plättchen mit Steinkreisen. Das Gros der Punkte erwirtschaften Sie aus Ihrer großen Fläche (Länge x Breite). Und hier gleich ein Tipp fürs Puzzeln: Es ist viel einfacher ein längliches Gebilde aus 11×5 zusammenzubekommen, als aus 8×7. Also bitte sorgfältig die Teile für eine möglichst große Fläche wählen und kompakt legen. 60 wären spitze.


Je zwei Puzzleteile liegen in den fünf Feldern neben der Drehscheibe. Dann wird gedreht und jeder von uns darf sich ein Teil aussuchen, da wo das Wappen des Heimatortes stehen bleibt. Wo passt es hin? Drehen und wenden nicht vergessen. Beim Anlegen geht es natürlich auch um Synergien. Ein Teil genau in Lücken einpassen, dabei auch noch die bereits liegende Destillerie mit Getreide versorgen. Gelingt das, rückt das Fässchen ein Feld weiter. Erst gibt’s drei, nach dem achten Schritt sogar 30 Punkte. Aber ob jemand das mal schafft? Eine Herausforderung! Außerdem gibt’s auf der Whiskyleiste noch hölzerne Schafe. Was machen Sie damit nur? Natürlich vergrößern Sie Ihre Herde, indem Sie das Schaf bestenfalls auf eine leere Wiese stellen, und so aus zwei eine große Herde macht. Und wenn Sie dann die große Straße, äh Rittermacht, äh Herde haben, bekommen Sie am Rundenende noch das 5-Punkte-größte-Schafherde-Plättchen. Wer Ihnen das abnehmen will, muss erst eine größere Herde schaffen. Und nein, hölzerne Schafe müssen immer auf eine Wiese, dürfen nicht auf eine Weide mit Schafen gestellt werden.

Haben wir’s? Noch schnell die Ruinen: Drei müssen in eine Reihe, dann gibt’s einen wackeligen Pappturm. Den dürfen wir am Ende zum Lückenstopfen für unsere größte Fläche nutzen. Dann sind da noch die Maulwurfshügel. Liegen davon genau zwei nebeneinander, darf ich ein Bonusplättchen ziehen und es gleich anlegen. Das kann mich jubeln oder nur die Achseln zucken lassen. Bonusplättchen sind im Endspiel lukrativ.


Und dann sind da noch die Winzschafe auf einigen Plättchen. Adlerauge sei wachsam, falls sich unter Ihren zwei Plättchen so eines befindet, denn dafür gibt’s ein Holzschaf für Ihre Wiese. Unterschätzen Sie mir nicht die schnöden Steinkreise. Damit lassen sich so an die 10 bis 12 Siegpunkte generieren…


Wer hat gewonnen? Nach der ersten Partie folgt sofort die Revanche. Es gibt ja so viele schöne Möglichkeiten, es nächstes Mal besser zu machen. Schaffe ich Synergien beim Anlegen? Das ist immer wieder eine Herausforderung, sehr viel einfacher zugänglich als PLANET UNKNOWN. Und dass Sie mir das Drehrad ordentlich drehen, dass es nicht wieder an derselben Stelle stehen bleibt, wo Sie bereits zugegriffen haben. Passiert irgendwie überdurchschnittlich oft. Oder war das sogar Absicht? Überhaupt lohnt es sich mitunter, die übriggebliebenen Teile bei der Drehscheibe im Auge zu behalten, um für den Fall der Fälle gewappnet zu sein.


Und?! Noch einen Partie. Habe ich wirklich oft erlebt, dass wir nicht nur zwei, sondern gleich drei Partien gespielt haben. Schaffen wir mittlerweile locker unter einer Stunde. Alle kennen das Spiel, wir haben es oft genug und gerne gespielt. Hätte ich niemals gedacht, dass mir mal ein Spiel von Günter Burkhardt so gut gefallen wird, dass ich gar nicht aufhören will zu spielen. Noch eine Partie! Ob TIPPERARY bei boardgamegeek besser als ULM abschneiden wird? Ne, denn ganz vorne landen nur hochkarätige Dickschiffe mit deutlich längerer Spieldauer. Mmh, soweit oben steht ULM da aber auch nicht. Und gibt’s da nicht noch andere Auszeichnungen, rote zumal. TIPPERARY darf in mein Dauerspielregal, trotz meiner Abneigung gegen Irland. Vielleicht muss ich ja doch mal wieder hin, zumindest ein zweitens Mal kann ich’s ja wagen.


Wolfgang Friebe

Astrid: Ein echtes Wohlfühlspiel – jeder Zug bringt verbessert die eigene Grafschaft! Über die kleinen Mängel kann ich deshalb großzügig hinwegsehen… Oh, ich bekam ja noch ein Bonusschaf..

Arne C: Allmählich sind mir diese dauernden Variationen von Plättchenlegespielen über …

Matthias: Macht genau das, was man von ihm erwartet: leichtfüßig aber keineswegs banal unterhalten.

Peter: Schönes, rundes Spiel, das entfernt an PLANET UNKNOWN erinnert, nur einfacher.

Dieser Text erschien in der 145. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit: Abonnieren Sie das gedruckte Magazin.