Was haben Fußballweltmeisterschaft und Spiel des Jahres gemeinsam? Die Preisverleihung findet alle vier Jahre während der WM statt. So auch in diesem Jahr.
Rückblick. Berlin, 24. Juni 2010. Noch vier Tage, dann ist es wieder soweit: Die Verleihung des wohl wichtigsten Spielepreises findet im Berliner Hotel Esplanade statt. Wer wird das Rennen in diesem Jahr machen? Diese Frage dürfte in Spielerkreisen mit „Wer wird Fußballweltmeister?“ identisch sein. Von den nominierten Spielen kenne ich nur A la carte, Im Wandel der Zeiten – Das Würfelspiel: Bronzezeit (der längste Titel, der jemals auf der Nominierungsliste stand) und Dixit. Erster Gedanke zu den Spielen: A la carte hat mir schon vor 20 Jahren gefallen. Als Material von Im Wandel der Zeiten wurde Holz eingesetzt, was zwar schön, dafür aber auch schwer ist und Dixit erinnert mich an meinen Tokio-Urlaub, wo ich es mit einigen spielbegeisterten Japanern gespielt habe. Einer der japanischen Mitspieler hatte es von der Messe in Essen mitgebracht. Die anderen beiden Spiele: Null Ahnung.
Also kann ich mich nur zwischen diesen dreien entscheiden. Also wäge ich mal ein wenig ab. A la carte hätte den Preis auf alle Fälle verdient, trotz der Regeländerungen zum Original, was dazu geführt hat, dass die Boshaftigkeiten gegen die anderen Spieler etwas eingeschränkt sind. Dafür ist es jetzt spielbarer und wird durch die Kaffeekränzchen nicht mehr unnötig in die Länge gezogen. Aber dieses Spiel rund ums Kochen scheidet die Geister, denn entweder gefällt es oder nicht. Herd anheizen, in einer Pfanne Gerichte würzen, ist so manchem einfach zu blöd. Dixit, da ließ eigentlich die Spielregel einiges zu wünschen übrig, denn wer nach dem Raten der Bilder, welche Punkte bekommt, unterschied sich von Sprache zu Sprache, was in Japan deutlich wurde. Und mir persönlich gefallen die Bilder nicht besonders. Aber Kunst ist ja bekanntermaßen Geschmackssache und die Bilder scheinen ja international gut anzukommen. Immerhin hat Dixit schon in Frankreich und Spanien Preise kassiert. Bleibt das Pegasus-Spiel. Ausstattung ist super, das Spielprinzip ist gut und es hat eine gewisse Tiefe. Also mein Favorit. Aber ich bin Vielspielerin und keine Familienspielspielerin, also bin ich in keinster Weise das Maß der Dinge.
Ich bin gespannt. Wobei mich die Spielauswahl grundsätzlich überrascht hat. Alles eher interaktive, kommunikative Spiele. Sind wohl derzeit in. Wenn ich an Montag denke, gehen mir folgende Gedanken durch den Kopf: Hotel Esplanade, schickes Ambiente, aber eigentlich finde ich den Ort für die Verleihung etwas übertrieben. Etwas bodenständiger würde besser passen. Der Saal, sollte es der gleiche wie in den letzten Jahren sein, ist für die Teilnehmer aus Presse und Verlagen definitiv zu klein. Und wird der Sprecher der Jury darauf hinweisen, dass alle Nominierten den Preis verdient hätten, aber es nur einen Preisträger geben kann? Alle Jahre wieder. Und Deutschland steht wie bei der letzten WM im Achtelfinale.
Praktikanten bei der Arbeit? |
Montag, 28.06.2010, Uhrzeit: 10.05. Leise Musik dringt in mein Ohr. Wo ich bin? Auf der Toilette des Esplanade. Und dann ab zur Preisverleihung. Langsam füllt sich der Raum. Es ist derselbe wie in den Jahren davor. Aber heute bin ich so früh da, dass ich kurz den Jurymitgliedern, die in Einheits-T-Shirts hinter ihren Laptops sitzen, „Hallo“ sagen und einen Platz ergattern kann. Die Heidelberger vom gleichnamigen Spieleverlag haben sich sicherheitshalber in Schale geworfen. Hoffen sie doch, dass A la carte das Rennen macht. Und schon geht es los. Der Jurysprecher Bernhard Löhlein betont, alles sei wie immer. Mal wieder Fußballweltmeisterschaft. Doch etwas fehle, nämlich der blaue Pöppel. Denn das dazugehörige Kinderspiel werde erst am 2. August in Hamburg verliehen. Und so ist der Raum bei Weitem nicht so voll wie die Jahre zuvor.
Weiter geht es mit dem diesjährigen Sonderpreis. Die Tore der Welt sei ein Spiel für erfahrene Spieler, so Löhlein. Ein kurzes Shake Hands und ein paar Fragen an die Autoren und an Doris Glasz vom Kosmos-Verlag. Ja, dem Autor der Buchvorlage Ken Follett gefalle das Spiel, bestätigt Stefan Stadler, Co-Autor von Die Tore der Welt.
Die eigentliche Preisverleihung rückt näher. Und irgendwie steigt auch die Spannung im Raum. Ich warte vergeblich auf den üblichen Spruch, alle Spiele hätten den Preis verdient. Stattdessen erklärt Löhlein, es habe der Jury viel Spaß gemacht, die Spiele auszuprobieren und sie hätten auch einige Trends entdeckt: Vor allem Kommunikationsspiele seien in, aber auch die 2-Personen-Spiele erlebten eine Renaissance, und kurzweilige Würfelspiele für die Ferien, und natürlich anspruchsvolle Spiele hätten sie gespielt. Die Suche nach fesselnden Spielen mit einem hohen Wiederspielreiz endet somit in der Vorstellung der fünf Nominierten per Video. Eine Supersache, so kann man sich auch von selbst nicht gespielten Spielen einen oberflächlichen Eindruck verschaffen. Während der Einspieler huschen die jeweiligen Autoren und Verlagsvertreter auf die Bühne, nehmen anschließend die Nominierungsurkunde in Empfang, beantworten die eine oder andere Frage und dann ist es fast soweit: Asmodee, Pegasus, Heidelberger oder Queen Games?
Nach ein paar kurzen Verzögerungen und Sprüchen wie „Ich fühle mich wie ein Magier“ oder „das ist ja eine heiße Sache“ lüftet Löhlein um 10 Uhr 53 den schwarzen Stoff, und nach etwas Suchen entdecke ich auch auf dem roten Pöppel den einzelnen Spielkarton. Der hat nämlich fast die gleiche Farbe. Aha, Spiel des Jahres 2010 ist Dixit. Lange Gesichter bei den Verlierern, Freude beim Sieger. Alle applaudieren.
Was folgt ist fast immer das Gleiche: Die Gewinner, also Autor, Grafikerin, Verlagsmitarbeiter, diesmal von Asmodee und dem Ein-Mann-Verlag Libellud versammeln sich auf dem Podium und nehmen die Pöppel entgegen. Allerdings muss Maria Hasdenteufel von Asmodee, der Dixit in Deutschland vertreibt, übersetzen, denn Autor, Grafikerin und Verlagsleiter stammen aus Frankreich. Es wird betont, dass das Spiel die Kreativität fördern und die Fantasie anregen soll. Ein Jurymitglied betont: Dixit sei ein sehr emotionales Spiel und einfach hinreißend. Mit den Worten „Das ist der Preis, der nicht nur in Deutschland, sondern weltweit am meisten zählt,“ beendet Kelly Shergill von Asmodee die Interviews auf der Bühne, und ab geht es zum kalten und warmen Büffet.
Vorher werfen die Anwesenden allerdings noch einen Blick auf die stilvoll präsentierten Spiele, filmen und fotografieren die Arrangements und klemmen sich das eine oder andere Spiel unter den Arm. Leider blieb mir für das Büfett keine Zeit mehr, mir war ein Termin dazwischen gekommen.
Fazit: Das Spiel des Jahres wird international. Glück für die Verlage mit dem richtigen Riecher, es hierzulande zu vertreiben. Und wie bei der letzten WM steht Deutschland inzwischen im Viertelfinale.
von unserer Berlin-Korrespondentin Kerstin Koch